Flying Goose Saxophonblätter süß-sauer?!

Als Überschrift zu dem heutigen Test dieser neuen CHINESISCHEN Blattmarke sind mir noch diverse andere Wortwitze eingefallen aber ich will nicht zu sehr auf Klischees rumreiten (nur ein Bißchen).
Auch das Erscheinungsdatum für diesen Test ist nicht ganz zufällig, denn heute ist das chinesisches Neujahr. Heute beginnt das Jahr des Tigers. Ich fand’s irgendwie passend, zum Anlaß diesen Artikel zu veröffentlichen und zu klären ob es sich bei den sehr kostengünstigen chinesischen Blätter nun um echte Klanghölzer handelt oder sie sich doch nur als Beilage zu Gericht Nr. 44 (gebratene Nudeln mit Ente) eignen.

Ein Novum ist, dass dieser Test gesponsort wurde (langsam ging dieses ganze Equipmentangesammle ganz schön ins Geld). Die Blätter habe ich direkt vom Reedguard, dem Deutschen Importeur von Flying Goose Reeds, gestellt bekommen.
Per Zufall kam ich mit dem Chef ins Gespräch, es kam dann die Idee auf, dass man doch diese Blätter mal ausführlich testen sollte und er bot mir dann an (obwohl ich androhte keinen beschönigenden Test zu schreiben) mir einen Satz Blätter zu schicken.
Reedguard vertreibt nicht nur die chinesischen Blätter sondern ist auch für jeden Vandorenspieler interessant. Zwar hat er nur die Klassik, JaVa und ZZ für Saxophon im Angebot dafür ist er mit Thomann der günstigste Anbieter für diese Blätter, hat aber keine Mindestbestellmenge wie der Musikhausriese.
Hier geht’s zum Reedguard-Onlineshop
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Die Vorbehalte über chinesische Produkte sind groß und mannigfaltig. Ich persönlich meine, dass das nicht ganz ungerechtfertigt ist, bei den ganzen Geschichten, die durch die Nachrichten geisterten, und der meist schlechten Qualität der meisten Produkte aus dem Reich der Mitte. In den Foren habe ich bereits als Kommentare zu den Chinablättern schon Sachen gelesen wie „So etwas kommt bei mir gar nicht erst in den Mund“. Das der Preis nur die Hälfte von dem der üblichen Marken kostet macht auch skeptisch.
Aber andererseits, wenn jemand Ahnung über Bambus hat, dann wahrscheinlich die Chinesen. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Pandas, die Bambusgourmets schlechthin, nur in China natürlich ansässig sind. (Wahrscheinlich sind diese jetzt noch mehr vom Aussterben bedroht, weil wir auf deren Futter spielen wollen).
Anscheinend war auch Reedguard zunächst sehr skeptisch und hat bevor es sie eingeführt hat, die Blätter beim TÜV Rheinland LGA labortechnisch auf mikrobiliogische und chemische Gefahren testen lassen. Die Testberichte liegen mir auch vor und das Labor konnte nichts finden. Also die Blätter sind gesundheitlich absolut unbedenklich.

Getestet wurden vier 10er-Packungen für Sopran, Alt und Tenor und zum Vergleich vom Marktführer Vandoren 11 Blätter in den verschiedenen Blattschnitten Klassik (die Blauen), JaVa (JazzVandoren) und ZZ (Jazz). Die Blätter wurden von mir alle wie hier beschrieben gleich vorbehandelt, damit ich nicht alles ewig einspielen muß. Getestet wurde es mit meinem ganzen üblichen Equipment. Wen es genau interessiert, was es ist, kann es unten bei „über mich“ nachlesen.

Erster Eindruck

Die Blätter kommen in einer schlichten kleinen Plastikbox. Die finde ich gar nicht mal so schlecht, denn die Blätter liegen darin optimal und sie ist schön klein und Flach, dass sie problemlos in Hemd- und Sakotasche passt. Außerdem ist sie stabiler als diese Pappschachteln. Dafür haben die Blätter nicht je so eine einzelne Plastehülse (Wovon sich allerdings bei mir schon eine ganze Schublade angesammelt habe. Keine Ahnung, warum ich die immer behalte, brauch man doch nie wieder).
Wenn man die Blätter ausgepackt hat, könnten einige gleich als erste Kritik äußern: „Hmm, die sind aber nicht gerade symmetrisch geschnitten, der Ausschnitt ist krum und schief, der Rücken ist total fleckig und sie sind recht blass, also nicht genug abgelagert“. Als ich nun die Vandorenblätter je aus ihren Verpackungen* befreit habe sehen die ganz genauso aus. Egal was man so hört, äußerlich kann man fast gar nichts über die Qualität aussagen. Das einzige was noch hilft, ist gegen’s Licht halten und schauen ob der Schatten halbwegs symmetrisch ist.

*Seit einiger Zeit verpackt Vandoren seine Blätter auch nochmal alle einzeln. Soviel zum Thema Umweltschutz. Zudem kann man die Blätter auch vor dem Kauf nicht mehr kontrollieren.

Der Schnitt des Blattes ist amerikanisch/unfiled oder wie man es nennen will. Das heißt, dass die Rinde am Anfang des Ausschnittes nicht abgefeilt ist. Das sieht man vor allem bei Blätten, welche als Jazzblätter gelten (siehe den Unterschied im Vergleich zu einem Vandoren Klassik). Soweit ich das beurteilen kann, ist das Herz recht dick und die Spitze eher dünn. Was jedoch im Vergleich auffällt ist, dass der Ausschnitt der Flying-Goose-Blätter merklich kürzer ist als bei anderen Blätter (siehe Bild Vergleich zu JaVa). Mal schauen, wie sich das auswirkt.

Bevor wir zum Spieltest kommen noch der Geschmackstest. Beim ersten „Anlutschen“ schmecken mir die Blätter eigentlich sehr gut. Mit gebratenem Reis und der passenden Sojasauce könnte das vielleicht eine tolle Vorspeise für „das perfekte Dinner“ sein. Zumindest schmecken sie intensiver und süßer als die Vandoren-Blätter.

Ansprache

Als erstes habe ich, um die Konsistenz zu prüfen, jeweils die Blätter einer Box durchgespielt. Obwohl die Ausschnitte der Blätter teilweise etwas wild aussehen ist die Konstanz der Blätter überraschend gut. Die Blätter klingen sehr gleich. Bei den 10erPackung vielen ein bis zwei aus der Reihe, weil sie entweder etwas schwerer ansprachen und/oder etwas muffiger klangen.
Da hatte ich schon Packungen renommierter Blattmarken, in der sich mehr Krücken befanden. Also hier schon mal ein Plus.

Also ziehe ich die Vandoren Blätter zum Vergleich ran. Je nach Mundstück sind die Ergebnisse unterschiedlich. Bei dem Sopran und dem klassischem Alt sprachen die Flying Goose Blätter deutlich besser an: Lauter, mehr Sound, leichtere Ansprache. Beim Tenor gefielen mir die ZZ und JaVa doch besser. Da haben die Flying Goose nicht ganz optimal gepasst, Sound muffiger, Ansprache schwerer. Bei dem Alt (Jazz) mit dem Standartmundstück (ein Meyer-Clon) hielt es sich die Waage, da würde ich ehrlich sagen, dass es nur noch eine Frage des Geschmacks ist. Zuletzt habe ich noch mit meinem Lion’s Roar getestet, dass speziell auch für die Verwendung mit Tenorblättern konzipiert wurde. Hier haben die Flying-Goose Altoblätter nicht so gefunzt dafür die Tenorvariante um so besser. Warum ist das so? Ich vermute, dass das mit der Bahnlänge der Mundstücke und dem recht kurzen Ausschnitt der Flying Goose Blätter zu tun hat.
Bei meinem französischem Klassikmundstück (also kürzere Bahn) haben die Vandoren Jazzblätter nicht wirklich funktioniert, das Klassik ging wie es sollte und die Flying Goose gingen ab. Dafür waren die ZZ und JaVa beim Tenor-Jazz MPC und dem Lion’s Roar (lange Bahn) deutlich besser. So würde sich auch erklären, warum die Tenorblätter sehr gut auf meinen AltojazzMPCs gehen.
Bei den Sopranblättern ist der Ausschnitt eher normal lang.

Anhand des Schnittes konnte man es erahnen, es handelt sich um ein „Jazzblatt“. Wie die JaVa und die ZZ, zeichnet es sich durch eine sehr schnelle Ansprache aus und es ist verhältnismäßig laut.

Klang

Das ist eigentlich auch wieder eine sehr subjektive Sache, aber mehr dazu hier. Die Vandorenblätter dürften den meisten Saxophonisten ja bekannt sein. Das Klassik klingt klassisch, also rund/homogen und eher dunkel. Die ZZ sind heller, resonanter, lauter und JaVa sind ähnlich hell, empfinde sie aber als moderner mit einem gewissen „Buzz“.
Die FlyingGooseBlätter sind dem JaVa am ähnlichsten. Sie dürften nicht jedermanns Geschmacks sein, das sie für mein Empfinden noch moderner ausfallen, (teilweise fast schon poppig), der „Buzz“ ist deutlich ausgeprägter, wodurch es natürlich auch deutlich Charakter hat. Es ist zwar hell, aber nicht zu sehr und ich finde das recht viel Sound/Lautstärke raus kommt. Wer einen „Pornosound“ für die Mädels sucht, könnte hier vielleicht fündig werden.
Daher ging es auf meinem KlassikSetup, obwohl es sehr gut ansprach, nicht.
Auf dem Sopran und die Tenorblätter auf dem Lion’s Roar hat mir es eigentlich ganz gut gefallen.

Fazit

Also ich werde jetzt nicht auf Flying Goose wechseln. Erstens gefielen mir zwar einige Kombination ganz gut, aber wie Rollins, Coltrane oder Parker klinge ich damit auch nicht. Zweitens bin ich überzeugter Kunststoffblattspieler. Aber ich muß gestehen, die Blätter sind deutlich besser als erwartet und sie stinken nicht gegen die Vandorenblätter ab, kosten dabei weniger als die Hälfte! Das ist eigentlich DAS Argument, warum man diese mal ausprobieren sollte. Vielleicht ist es auch etwas für Leute, die sich mal am Schnitzen ausprobieren möchten.
Ich möchte auch nochmal erwähnen, dass für diesen Test über 50 Blätter im Vergleich vorlagen, weshalb ich sehr systematisch an die Sache ging. Man kann also nicht jedes Blatt auf alles prüfen, was meiner Ansicht nach auch nicht viel Sinn macht. Wie der Test schon gezeigt hat, verhält sich jede Mundstück, Mund und Blattkombination anders.

Interessant halte ich diese Blätter für diejenigen, die einen modernen Jazzsound suchen aber ein Mundstück mit kürzerer Bahn haben(gut wenn man dünne Lippen hat) oder Tenorblatter auf dem Alt bevorzugen.
Wenn die Chinesen es nun auch hinbekommen, Saxophone mit dieser Qualität zu fertigen, könnte das Saxspielen bald zu einem bezahlbaren Hobby werden.

Wenn ihr selber schon Erfahrungen mit diesen Blättern gemacht habt, hinterlasst doch einfach einen Kommentar.

Auch nochmal ein großes Dankeschön an Daniel von Reedguard für Sponsoring. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn andere Händler und Firmen vielleicht nachziehen 😉

Neues aus dem Hause Fiberreed

FiberreedsAnmerkung des Autors:
Der Artikel ist nun etwas älter. Inzwischen spiele ich auf allen meinen Instrumenten Forestoneblätter.
Auch hat der Straight Cut inzwischen eine weitere Überarbeitung erhalten.

Wie einige von euch wissen, bin ich ein großer Fan von Kunststoffblättern und meine „weapon of choice“ sind die Carbon Fiberreeds von Harry Hartmann. Da mein kleiner Vorrat durch die Intensivnutzung sich langsam dem Ende neigte, mußte ich neue bestellen.
Außerdem hat Harry auf der letzten Frankfurter Musikmesse seinen neuen revolutionären Blattschnitt, den „straight cut“, vorgestellt. Ich war also eh scharf die neuen Blätter auszutesten. Also bestellte ich eine Ladung für Tenor, Alt, Sopran, Bariton und Klarinette.

Über Kunststoffblätter allgemein und deren Vorzüge, wie Langlebigkeit, Konsistenz usw., möchte ich hier eigentlich nicht noch einmal alles schreiben, da ich das schon in dem großen Kunststoffblättertest getan habe. Das war mein erster Artikel und daher vielleicht noch ein wenig ungeschliffen. Vielleicht sollte ich den mal bei Gelegenheit mal überarbeiten.

Das revolutionäre an dem neuen Schnitt ist, dass er „gerade“ ist. Wie wahrscheinlich bekannt ist, stammen die Holzblätter von Bambusrohren. Daher kommt auch diese Wölbung im Herzen. Doch bei Fiberreed dachte man sich anscheinend: „Braucht man das eigentlich noch bei einem synthetischem Blatt?“, weshalb die neuen Blätter nun flach sind, also keine Wölbung mehr haben.
Der Straight Cut ist inzwischen für alle Blätter zu bekommen.
Diesen Schnitt hat sich Fiberreed übrigens patentieren lassen, also nicht zuhause mal eben nachschnitzen.

Ich hatte nun genug Gelegenheit den neuen Schnitt mit dem alten zu Vergleichen. Besonders habe ich mich auf das Carbon Tenor (M) konzentriert. Hier habe ich 5 Alte gegen 8 Neue getestet um einen möglichst allgemein gültigen Eindruck vom Unterschied zu bekommen. Auch habe ich das Carbon gegen den Natural Classic Schnitt getestet.

Fiberreed Carbon straight cutWie klingt und verhält sich nun der Straight Cut? Ich würde nicht so weit gehen, es eine Revolution zu nennen, aber der Unterschied ist mehr als deutlich. Besonders angenehm finde ich, dass sie viel leichter und angenehmer Ansprechen. Damit ist nicht gemeint, dass sie sich leichter spielen im Sinne von einer halben Stärke schwächer. Nein, sie sprechen einfach müheloser im ganzen Spektrum an. Als ich nach meiner Eingewöhnungszeit wieder die alten Blätter auflegte, fühlten die sich fast so an, als würden sie sich quer stellen. Zudem finde ich auch, dass der gerade Schnitt auch besser klingt. Erstens ist er noch ein kleines bisschen lauter, sonorer, hat mehr Resonanz, ist ein wenig heller. Der alte Schnitt klingt zwar etwas dunkler und weicher, es ist aber nicht so, dass beim neuen Schnitt im unteren Frequenzspektrum etwas weggenommen wurde. Es ist eher so, als würde oben noch etwas draufgesetzt werden, als hätte der Klang einen besonderen „Glanz“.
Obwohl der Schnitt jetzt gerade ist merke ich im Mund eigentlich keinen wirklichen Unterschied auch sonst gibt es keine Ungewohntheiten beim Verhalten des Blattes, außer, dass es sich leichter spielen lässt.

Das Carbon ist nun schon ein recht lautes und „funky“ klingedes Blatt. Ich nenne es deshalb gerne mal „den Tiger unter den Saxophonblättern“. Wem dieses Reed zu „brutal“ klingt der soll ruhig das Natural Classic probieren. Auch dieses hat mich richtig begeistert und auf der Klarinette, Sopran und Alt (klassisch) bin ich dazu gewechselt. Es ist nicht ganz so laut wie das Carbon klingt dafür aber deutlich runder und ausgeglichener. Der Klang ist eher erdig und dunkel, also wie man es von einem Klassikblatt erwartet.

Allgemein finde ich, dass die Angegeben Stärken eher etwas härter ausfallen. M entspricht nach Hersteller angaben 2,5. Persönlich kommen mir die M Blätter eher wie eine 3er statt einer 2,5er Stärke vor. Besonders deutlich habe ich das so bei den Alto Classic Blättern empfunden.
Also wer gerne deutlich eingespielten Holzblättern benutzt, sollte beim Testen der Fiberreeds vielleicht eine halbe Stufe von der sonstigen Stärke abziehen.

Besonders erfreulich ist, dass ich noch einen weiteren Sprung in der Fertigungsqualität bemerken konnte. Damit meine ich, wie gleich die Blätter ausfallen. Die Qualität war schon vorher gut und zwischen den Blättern gab es nur kleine Unterschiede. Dieses Mal konnte ich nur marginale bis fast gar keine Unterschiede zwischen den ganzen Blättern feststellen. Von den 40 Blättern, die bei mir auf dem Schreibtisch lagen, fiel eigentlich nur eines etwas raus. Also so, als würde man zwei orange Ricos aus einer Packung vergleichen. Vielleicht erleichtert der neue Schnitt auch die Produktion. Unter anderem wurden auch die Preise der Fiberreeds etwas gesenkt (etwas eher seltenes heutzutage).

Fiberreeds Tenor sopran alt neuWie schon in meinem ersten allgemeinen Kunststoffblättertest komme ich zum Fazit, dass man diese synthetic Blätter ausprobieren sollte. Mich haben die Fiberreeds vollkommen überzeugt und ich benutze sie jetzt auf jedem meiner Instrumente (naja, bis auf das Klavier).
Ich weise aber nochmal darauf hin, dass man den Kunststoffblättern eine gewisse Eingewöhnungszeit geben muß. Wie bei Holzblättern wird nicht jedem jeder Schnitt passen, weshalb es nicht heißen muß, dass wenn das Synthetikblatt bei einem selber nicht klingt, alle Synthetikblätter schlecht sind, so wie oft schnell verallgemeinert wird.
Im letzten Test meinte ich noch, dass die Kunststoffblätter nicht besser oder schlechter als Holzblätter sind, sondern nur eine Alternative zu diesen. Nach meinem neuen sehr ausgiebigen Test bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher und ich bin gespannt, was die Entwicklung in diesem Bereich noch bringt.  Für mich ist der Straight Cut ein Schritt vorwärts aber wie schon in meinem alten Artikel zum Schluß meinte:

Einfach selber testen!

Der große Kunststoffblättertest

Immer wieder höre ich denn die Frage „Taugen denn diese Kunststoffteile überhaupt etwas?“ oder noch besser eine Pauschalausage „Dieses Plaste Zeug ist doch alles Mist“. Da frage ich gerne mal nach, ob der die wirklich schon mal getestet hat, worauf dann meist ein „nein“ oder „mal eine Minute angespielt“ höre.
Meiner Ansicht nach, haben Kunststoffblätter längst die Klangqualität von normalen Holzblättern erreicht. Viele Saxophonisten haben dennoch immer noch Vorbehalte, ohne sie jemals selber getestet zu haben. Ich spiele seit ein paar Jahren aus Überzeugung ausschließlich nur noch Kunststoffblätter und ich finde, dass jeder ernsthafte Saxophonist diese wenigstens ein mal durchprobiert haben sollte.

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Sie sind nicht besser oder ein Allheilmittel, aber eine vernünftige Alternative. Die Vorteile gegenüber Holz sind zahlreich. Um ehrlich zu sein, mein Entschluss nur noch synthetische Blätter spielen, basiert in erste Linie auf den Vorteilen. Ich bin der Meinung, dass das problemlose Handling mein Spiel wirklich konstanter macht und ich deshalb auf die letzten 3% Sound des Blattes verzichten kann. Erst später in einem größerem Blättervergleichstest stellte ich wieder fest, dass sie eigentlich auch klanglich für mich inzwischen am besten funktionieren.
Das wird aber sicherlich nicht bei jedem so sein. Bei vielen funktionieren die Plastereeds wirklich nicht, aber das muß nicht zwangsweise mit dem Material zusammenhängen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass es am Blattschnitt liegt. Nicht jeder Blattschnitt bei Holz gefällt jedem Spieler, wie soll das also bei Kinststoff gehen, zumal es da mit den paar Marken eh noch keine wirklich große Auswahl gibt.
Zudem spielen sich die Plastikblätter in der Tat auch ein wenig anders (das heißt nicht schlechter) als normale Holzblätter. Daher sollte man beim ersten Versuchen, diesen mindestens einen ganzen Tag Eingewöhnung einräumen. Gerade das Carbon Fiberreed klingt bei vielen beim ersten mal oft grausam aber auf dem Tenor und Alt sind sie meine Lieblinge.
Auch wird ein Plastikblatt nie so gut klingen, wie das eine Lieblingsholzblatt. Auch das ist eigentlich ganz logisch. Holzblätter haben eine natürliche Varianz (je nach Marke mehr oder weniger), weil das Bambus ein organisch gewachsen Material ist. In einer 10er Packung gibt es vielleicht 2 Gurken, 3 brauchbare, 2 sehr brauchbare, 2 gute und ein exzellentes Blatt. Durch die natürliche Varianz gibt es nicht nur Abweichler nach unten in der Qualität, manchmal hat es gerade weil einzigartig ist, das Blatt Etwas, das es ganz besonderes macht. Wie soll da ein künstliches Blatt, das absolut gleich ist (naja, stimmt so auch noch nicht ganz) da mithalten. Dafür klingt es besser als die restlichen 9 Blätter in der Packung.

Vorteile

Kein Einspielen mehr: Kunststoffblätter gehen sofort los und klingen von der ersten Minute so, wie eine halbe Stunde später. Für jemanden so ungeduldigen, der immer gleich losspielen will, wie mich ideal. Auch ideal für so jemand faulen wie mich, der zu den Proben immer zu spät kommt und sich nicht sorgfältig einspielen will.

Müssen nicht gewässert werden: trocknen also nicht aus. Mit dem ersten Punkt sind sie deshalb ideal für Doppler (also Musiker die mehre Saxophone spielen) auf der Bühne.

Unempfindlich Feuchtigkeit und Temperatur: gerade im Außeneinsatz leiden Holzblätter durch die Umweltbedinungen. Daher sind Synthetics ideal für OpenAir und Marschingbandeinsätze.

Kostengünstiger: Zwar kostet ein Kunststoffblatt 4 bis 7 mal so viel wie ein normales Holzblatt, hält dafür aber je nach Hersteller 20-50mal so lang. Bei Baritonblätter lohnt es sich sogar noch mehr.

Langlebigkeit: Es ist immer ärgerlich, wenn das „gute Blatt“ an das man sich gerade erst gewöhnt hat nach zwei Wochen den Geist aufgibt. Das gute Synthetikblatt hält gerne mal ein halbes Jahr oder noch länger. So muß man sich sein Lieblingsblatt nicht immer nur aufheben, sondern kann es auch benutzen.

Konstanz: Für mich spieltechnisch der größte Vorteil. Da sie immer gleichbleibend sind auch über einen langen Zeitraum, lerne ich mein Blatt viel besser kennen. Ich habe dadurch einen besseren Sound und extremere Sachen (Altissimo, Problemtöne, Splatklänge, Effekte, usw.) funktionieren deutlich sicherer.

Keine Quitscher mehr: Ich habe seit ich die Kunststoffblätter benutze keine Quitscher oder Quäker mehr. Das liegt einfach daran, dass die Blätter alle gut sind und sich immer so verhalten wie sich ein Blatt zu verhalten hat.

Haptik: Ich persönlich und andere empfinden auch das Gefühl der Kunststoffblätter angenehmer als das der rauen Holzteile. Allerdings habe ich auch schon von einem Fall gehört, der von dem Kunststoffzeugs mit Hautreizungen reagierte.

Robuster: Die Blätter sind deutlich härter im nehmen. Wer kennt das nicht, mal kurz angeeckt und das Blatt ist Schrott. Bei Kunststoff ist die Wahrscheinlichkeit, dass es so etwas unbeschadet übersteht deutlich höher. Also auch für Grobmotoriker wie mich bestens geeignet.

Hygiene: Synthtik versifft nicht; da kann nichts in die Fasern eindringen und anfangen zu verschimmeln.

Gleichheit: Wenn man sich ein weiteres Blatt kauft, ist es so, wie das andere. Naja fast, je nach Hersteller gibt es kleine Varianzen, die fallen aber um einiges kleiner aus, als bei Holz. Hier konstatiere ich übrigens eine zunehmende Verbesserung bei den Herstellern.

weniger Zeitaufwendig: Roationssysteme braucht man nicht mehr, man muß nicht nachfeilen und schleifen und auch sonstiger Extraaufwand für die Holzteile fallen weg. Man kann die Blätter auch nachbearbeiten, aber da gehe ich bei den einzelnen Herstellern nochmal genauer darauf ein.

Optik: Also ich finde, dass sie cool aussehen. Ist aber wahrscheinlich Ansichtssache und nicht für jeden ein Kaufgrund.

Sound habe ich jetzt mal ganz bewußt, nicht als Vorteil aufgelistet, da dies auch immer eine Frage des Geschmacks ist. Ich kenne auch Spieler, die sich wegen Klang für eine Synthetikblatt entschieden haben und auch bei mir ist es so, dass ich sie klanglich am besten für mich finde. Wie gesagt, bin ich der Meinung, dass der Klang wie bei Holz sehr schnittabhängig ist. Deshalb ist es schade, dass es bisher nur so wenige Hersteller gibt und somit auch eher wenig Auswahl. Ich werde mich hier kurz nochmal mit den drei großen Kunststoffblattfirmen beschäftigen. Es gibt zwar noch Hahn und Bari, aber von denen ist hierzulande so gut wie nichts bekannt und in den letzten Jahren gab es bei denen auch keine weitere Entwicklung (zumindest ist mir nichts zu Ohren gekommen). Auch die Rico Plastikcovers werde ich hier ignorieren. Erstens sind es keine „echten“ Kunststoffblätter und zweitens haben die mich auch klanglich nicht wirklich überzeugt. Ich bezweifle, dass Holzfasern optimal schwingen können, wenn sie im schwarzem Plastik ertränkt werden.

Legere
Legere entspricht der Idee eines Kunststoffblattes am meisten. Das Prinzip basiert hier darauf, einen Kunststoff zu entwickeln, der genau die gleichen physikalischen Eigenschaften hat, wie das Holzblatt, also die selben Dichten und Schwingungseigenschaften. Sie werden mit einem Laser geschnitten, da gießen nicht möglich ist (so erklären sich auch die ca. 14€).
Besonders bemerkenswert ist hier, dass 30 Tage Umtauschrecht gegen eine andere Stärke. Man kann sich hier also genau die passende Stärke aussuchen die zu einem passt, was sich auch lohnt, da Legere in 1/4 Stärkenunterschiede anbiete. Das Umtauschrecht ist aber auch oft nötig, da sie ungewöhnlich hart ausfallen, man muss min1/2 Stärke vom gewohnten runterrechnen (besser 3/4).
Diese Blätter sind die robustesten und halten ewig (mein erstes 3Jahre funktioniert immer noch). Die Haptik ist etwas ungewohnt, da deren Oberfläche absolut glatt ist, was ich als sehr angenehm empfunden hatte und einige als Lösung zu gewissen “Reizproblemchen”.
Legere deckt die meisten Instrumente ab (ich glaube sogar auch Altklarinette) und für Alt/Tenor gibt es sie auch in der Jazzvarinate StudioCut. Die normalen haben eher einen klassischen und dunkleren Klang, während die Studiocut eher heller, straighter und moderner sind.
Man kann sie eher schwer nachbearbeiten; ist aber möglich; nicht schleifen, sondern Messer senkrecht dran und abziehen (es wird allerdings eher davon abgeraten und wer will das schon bei einem Umtauschrecht?). Man kann eigentlich nur bei Legere sagen, dass ein Blatt genau dem anderen gleicht.
Einige Spieler haben berichtet, dass nach über einer Stunde intensiven Spielens die Blätter leicht abschlaffen und die Intonation nach oben rückt. Hier rate ich einfach dazu, immer ein zweites in der Hosentasche aufzubewahren. Hosentasche deshalb, da die Legeres eine minimale Einspielung wegen der Temperatur brauchen und sich das durch die Hosentasche erübrigt.

Fibracell
Diese Blätter ähneln den Holzblättern am meisten, was Klang, Haptik und auch Aussehen angeht (gerade etwas für diejenigen, denen es peinlich sein könnte, nicht Holz zu spielen (Klassikorchester)).
Hier ist das Prinzip Teflonfasern so anzuordnen wie die Holzfasern der normalen Blätter.
Ihre Langlebigkeit liegt bei intensiver Nutzung bei über einem halben Jahr oder noch länger. Meist löst sich unten dann die Folie ab. Ich habe noch 10 Jahre alte weniger benutzte Klarinettenblätter und die spielen sich immer noch tadellos.
Leider hatten die Blätter früher eine etwas zu große Abweichrate. Die Blätter klangen nicht gleich, es gab Blätter die einfach überwältigend gut klangen und sich von alleine gespielt haben, es gab aber auch Krücken. Bei einem 15€ Blatt sollte das nicht so sein. Aber seid sie die Fibracell Premier rausgebracht haben, hat sich das geändert, und inzwischen sind sie sehr konstant.
Einige finden sie klanglich besser als die alten, andere meinen genau das Gegenteil, ich meine, Klangfarbe ist Geschmackssache. Ich habe gerüchteweise gehört, dass sie damals die Rezeptur und Herstellung verändern mußten, da aufgrund des 11.Septembers eine benötigte Chemikalie in den USA unzulässig wurde und sie deshalb umsteigen mußten.Nachberarbeiten kann man sie auch, erfordert doch viel Erfahrung und experimentieren bei diesen Blättern (vielleicht ein wenig kostspielig).
Klanglich empfinde ich diese Blätter als recht flexibel; von Rock bis Klassik geht alles. Ich meine auch, dass sie den organischsten Sound und zudem so einen gewissen „Buzz“ haben.

Fiberreed
Fiberreeds Tenor sopran alt neuHarry Hartmanns Fiberreeds sind zwar sind sie mit etwas über 20€ die mit die teuersten im Bunde aber wahrscheinlich aber dafür auch sehr interessantest. Zudem ist er ein Deutscher Hersteller. Hier ist das Prinzip, dass Herr Hartmann ein Material mit Hohlfasern benutzt, welche denen im Bambus ähnelt.
Leider habe ich noch nicht alle Blätter durchtesten können, denn er hat  im  Kunststoff bereich das  größte Angebot. Klassik, Jazz und Rock/Funkblätter. Blätter bei denen man die Andruckplatte ändern kann. (Blattschrauben die das ermöglich kosten 50€ und aufwärts).
Aber die lange Liste an prominenten Fans spricht für sich, wie David Liebmann, Archie Shepp, Jan Gabarek und viele mehr.
Ich habe lange das Carbon Fiberreed gespielt. Durch seine spezielle Struktur, erzeugt es mehr Obertöne, somit lauter und heller.
Die Langlebigkeit und Robustheit ist nicht ganz so wie bei den anderen. Bei intensiver Nutzung geht ein Blatt ca. 4 Monate, dann fängt es an etwas abzuschlaffen und weicher zu werden. Dafür ist hier das Nachbearbeiten unkompliziert. Einfach die Spitze etwas abschleifen, und das Blatt geht wieder. Allerdings sollte man aufpassen, wenn man zuviel nachschleift. Die Oberfläche ist mit einer Schutzschicht versiegelt, die verhindern soll, dass die Fasern ausspilttern und in die Lippe bohren. So eine mikroskopische Fasern kann ganz schön weh tun.
Ein ganz besonderer Service von Fiberreed ist, dass man sein Lieblingsholzblatt hinschicken kann, dass dort vermessen wird, und dann daraus ein Fiberreedklon hergestellt wird. Eine ewig haltende Kopie seines besten Blattes.
Die Konstanz hat auch hier früher ein bissle geschwankt, und die Blätter sind etwas unterschiedlich ausgefallen, auf meine Frage hin, bestätigte mir die Herr Hartmann dies und erzählte mir, dass sie deshalb neue Gerätschaften entwickelt haben. Und tatsächlich, die letzten Blätter die ich gekauft habe, hatten so gut wie kaum einen Unterschied.
Zur Musikmesse 2009 hat Harry übrigens einen neue Art Schnitt vorgestellt. Zum Test des „StraightCuts“ geht es hier!

Forestone
Last bot not Least Es eine noch recht junge japanische Firma, daher sind sie hierzulande auch noch nicht so verbreitet. Sie sind ein wenig den Legeres ähnlich, da Forestones auch einem Polymer bestehen, jedoch hat haben die es geschafft, das Blatt im Spritzgußverfahren herzustellen. Das besondere an den Blättern ist, dass das Poymer aus einem großen Teil aus natürlichen Bambusfasern besteht. Also ein natürliches Holzplasikblatt. Das macht sich auch im Klang bemerkbar, ein schöner runder ausgeglichener natürlicher Ton, insgeammt haben sie den klassischsten Klang der Kunststoffblätter. Aber man darf gespannt sein, was da noch so kommt.
Einen ausführlichen Test zu diesen Blättern gibt es hier.
Seit 2012 gibt es auch einen „unfiled“ Cut, der deutlich jazziger ist und mehr Power und Charakter hat.
http://saxophonistisches.de/die-neuen-forestone-unfiled-blatter/

Für mich persönlich ist Forestone mein Favorit, weshalb ich sie auch mit voller Überzeugung endorse.

Noch ein paar allgemeine Tipps
Es ist immer ärgerlich, wenn man sich mit der Blattstärke vertut, vor allem wenn das Blatt über 14 Euro kostet. Meist fallen die Kunststoffblätter etwas härter aus. Das liegt daran, dass die Särke angaben mit neuen Holzblättern verglichen werden. Da die Kunststoffblätter nicht nachgeben, sollte man, wenn man sonst 3er spielt, es eher mit einer 2,5 probieren. Hier eine Vergleichstabelle, die halbwegs stimmt und recht ausführlich ist.
Kunststoff versifft zwar nicht wie Holz, allerdings sollte man seine Blätter doch ab und zu mal reinigen. Warmes Wasser reicht meist schon für eine Säuberung. Wer es noch reiner braucht, kann etwas Zahnpasta benutzen oder den Blättern eine Kukidentkur verpassen. (Obskurerweise sind die Fiberreeds die einzigen Blätter die untergehen).
Ich benutze Übrigens immer zwei gleiche Blätter. Das eine wird ständig gespielt das andere ist Reserve. Blätter gehen immer dann kaputt, wenn man keine Reserve am Mann hat. Außerdem dient das 2. immer ab und zu als Kontrolle. Wenn man nur ein Blatt spielt, merkt man Veränderungen oft nicht, also wenn es weicher wird, abschlafft und seinen Geist aufgibt. Deshalb ab und zu mal vergleichend spielen und kontrollieren.

Fazit
Wie ihr merkt, bin ich begeistert von den Kunststoffblättern, aber ich möchte nochmal betonen, dass Kunststoffblätter nicht besser sind, sondern einfach eine gute Alternative. Die Blätter haben viele Vorteile, aber viele nehmen für den Sound alles in Kauf (eigentlich zurecht) selbst den ständigen Ärger mit Holzblätter. Ich hingegen würde nicht mehr zurück wollen und meine, dass sich das ausprobieren lohnt. Alleine um die ganzen falschen und veralteten Vorurteile abzubauen. Wie gesagt, für einen vernünftigen Eindruck reicht 5min anspielen nicht, da sie doch etwas anders sind. Es gibt eine Auswahl, allerdings ist diese recht überschaubar.

Mein Abschließender Rat:

EINFACH SELBER TESTEN !!!