Three Fall auf der Breminale

Letzte Woche fandt in Bremen die Breminale statt, ein Kulturfestival am Weserufer. Sommerwetter, Grasspromenade am Wasser, viele Menschen, diverse Fress- und Bierstände und mehrere Bühnen mit viel Musik. Es gab Pop, Singersongwriter, Blues, Gangsterrap, Ska, Folk, Experimentelles und sogar Jazz. Auf das Jazztrio „Three Fall“ hatte ich mich im Vorfeld schon lange gefreut.

Aufmerksam wurde ich auf diese Formation, also ich nachts mal wieder nicht schlafen konnte und durchs Fernsehn zappte und dann bei eine Aufzeichnung 30. Leverkusener Jazztagen im WDR hängen blieb. Jazz scheint anscheinend nur noch auf den 3. Programmen zu laufen, wenn eigentlich schon alle schlafen. Ich war sofort gefesselt – was bei mir nicht so oft passiert – und wartete seit dem auf eine Gelegenheit das Trio live erleben zu können.

Die Besetzung von Three Fall ist Sebastian Winne am Schlagzeug, Til Schneider an der Posaune und Lutz Streun mit Saxophon und Bassklarinette. Moment, da fehlt doch was. Genau, keinerlei Bass und Harmonieinstrument. Das widerspricht nicht nur unseren Hörgewohnheiten, macht aber auch das musizieren deutlich komplizierter, vor allem im Jazz.
Aber genau da liegt der Reiz im Three Fall Projekt. Soweit ich weiß, erklärt sich so auch der Bandname. Drei Musiker im freien Fall ohne harmonische Sicherung. Das Trio versteht es, das Fehlen sämtlichen harmonischen Gerüstes geschickt auszugleichen. Die Bläser arbeiten sehr viel mit Groove/HipHop-Patterns die sich gegenseitig ergänzen oder gegeneinander arbeiten. Gepaart mit diversen technischen Effekten (z.b. Oktaver) vermisst man weder Bass- noch Akkordinstrument. Das ist aber nicht der einzige Faktor für den besonderen Sound von Three Fall.

Die Band könnte als Lehrstück für Saxophonisten und Posaunisten gelten, was man aus den Instrumenten noch raus holen kann. Til Schneider und Lutz Streun reizen die Möglichkeiten der Effekte, wie Zirkulationsatmung, Überblasen, in das Instrument singen usw. voll aus. Einiges hatte ich so vorher noch nicht gehört. Da wird schonmal die Bassklarinette als quasi Didgeridoo verwendet, das Saxophon mal ohne Mundstück gespielt oder der Posaunist gibt einen dreistimmigen Groove. Mein Favorit ist allerdings, wenn der Saxophonist einen DJ-Scratch-Sound durch geschicktes Überblasen und abklemmen des Blattes erzeugt (mit ist das bisher noch nicht geglückt). Das schöne daran ist aber, dass die Effekte nicht als Selbstzweck benutzt werden sondern essentiell für die Kompositionen sind. Gepaart mit der vordergründigen Hiphopstilistik und dem hohen Spielniveau der Musiker ergibt das eine verdammt cooles Gesamtkonzept mit WOW-Effekt.

Das hat man dem Breminalepublikum auch angemerkt. Es blieb anscheinend sehr viel Laufpublikum hängen. Es gab diverse Junghiphopper mit obligatorischer Basecap aber auch schon ältere Semester, die eher danach aussahen, als würden sie im Ruhestand Gartenzwerge in Ihrem Schrebergarten züchten. War schon etwas amüsant, wie die zu den Beats mitgroovten. Jedenfalls war deutlich, dass das breite Publikum begeistert und baff war. Das muß man mit Jazz heutzutage erst mal schaffen.

Three Fall dürfte definitiv eines der spannensten aktuellen deutschen Jazzprojekte sein. Der Spagat zwischen innovativ/anspruchsvoll und allgemein Gefällig/leicht hörbar zu sein, gelingt nicht oft, aber hier schon. Vor kurzem haben sie ihr zweites Album “Three Fall – On a Walkabout”  veröffentlicht, in dem sie auch diverse Red Hot Chili Peppers Songs cerarbeiten. Einige davon haben die auch der Breminale gespielt. Es war allerdings nicht immer ganz einfach, das Original rauszuhören.
Mehr Infos gibt es auf ihrer Bandhomepage und als Amuse-Gueule ein Videomix aus ihrem ersten Albumprogramm „Bomboclive“:

http://threefall.de/

 

2 Gedanken zu „Three Fall auf der Breminale

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