
14 Mundstücke auf einmal zu testen ist doch etwas herausfordernder als gedacht, aber mein Testfazit liefer ich gleich zu Beginn: eine absolute Blindempfehlung! (Aber nicht für jeden.) Warum, dafür müsst ihr weiter lesen.
Theo Wanne ist wahrscheinlich der Mundstückhersteller mit dem aktuell besten Renommee. Sein Wissen über Mundstücke scheint unmatched (siehe sein digitales Mouthpiece Museum), die Qualität seiner Mundstücke ist tadellos, aber auch die Preise sind „berüchtigt“. Inzwischen gibt’s ein breites Segment mit vielen exotisch klingenden Namen. Darunter viele ziemlich modern klingende Metallmundstücke, aber auch Neuinterpretationen von Klassikern, wie das NY Bros oder das Slant, die ich beide selbst seit Jahren spiele.
Nun gibt’s aber eine Produktlinie, die sich aber eher an Anfänger und Hobbyspieler mit kleinerem Geldbeutel richtet, sowohl im Mundstückkonzept als auch im Preis: Theo Wannes „Essentials“.
Und da bin ich begeistert, denn im unter 200€ Bereich ist es dünn bei der Auswahl an guten Mundstücken dünn geworden, besonders wenn man verlässliche Qualität sucht. Ich habe mich als Lehrer bisher schwer getan, irgendein Mundstück meinen neuen Schülern direkt zu empfehlen. Oft wollen die eigentlich nur einen einfachen Tipp und kaufen und nicht groß rum testen, aber es ist auch Quatsch sich für das erste oder zweite Mundstücke in Unkosten zu stürzen.
Und hier füllen die Essentials nun eine Lücke. Professionelle Fertigungsqualität, klares Lineup, einfach zu spielen und das zu einem extrem fairen Preis.
Aber was meine ich jetzt mit „klarem Lineup“? Die Essentials gibt es für Sopran bis Bariton als Jazz und Concert (für Klassik) und für Alt und Tenor noch zusätzlich in Contemporary (für Pop und Rock). Und das jeweils in zwei oder einer Öffnung, die am meisten Sinn macht. Je nachdem, ob man im Blasorchester oder Jazzcombo sitzt, wählt man das Mundstück und entscheidet sich entweder für die kleine Öffnung, wenn man totaler Anfänger, Kind oder kurzem Atem hat für die kleine Öffnung, ist man etwas erfahrener nimmt man die Größere.
Auf dem Alto landen die meisten Jazzer eh auf einer 7 und beim Tenor 7*. Muß man dann wirklich noch rumtesten, ob eine 6* wohlmöglich leicht besser sein könnte? Das macht es auch den Läden leichter, die Mundstücke in Stock zu haben, wenn sie nur zwei statt sieben oder mehr Öffnungen anbieten müssen.
Einen Kompromiss gibt es jedoch um den Preis zu ermöglichen. Die Mundstücke kommen aus dem 3D Drucker. Allerdings sind die sehr hochwertig aus einem speziellem Material (Firmengeheimnis) gedruckt und die Rail wird nochmal nachgearbeitet. Und mit der strukturierten Oberfläche sieht man von außen auch keine Drucklayers. Das „Plastik“ ist so dicht, dass es sich von allen synthetischen Mundstückmaterialien, die ich bisher in der Hand hatte, am meisten nach Kautschuk anfühlt und klingt.
Bisherige 3D gedruckte Mundstücke konnten mich bei diesen Faktoren bisher nie überzeugen und ich verstehe auch nicht ganz den Hype um diese eine „bunte Marke“.
Etwas irritiert hatte mich nur das Warning Label am Boden der Mundstückschachtel. Aber anscheinend ist das wohl so einem Quirk amerikanischer Gesetzgebung geschuldet (wie die Matrazen Labels oder die Warnung seinen Hamster nicht in der Mirkowelle zu trocknen). Das Mundstückmaterial wurde gründlich in speziellen Laboren auf mögliche Risiken und Unverträglichkeiten getestet und ist sicher.
Und ein weiterer Kompromiss beim Preis ist, dass leider keine Blattschraube dabei ist. Gerade für Anfänger wäre das schön gewesen, wenn da was dabei gewesen wäre. Allerdings passt so eine 08/15 Blechschraube nun auch nicht wirklich zum Qualitätsanspruch von Theo Wanne. Ich empfehle, da einfach eine passende Rovner Star mit zu kaufen.
Sehr faszinierend fand ich, dass die Mundstücke gleicher Stilistik aber teils doch recht unterschiedliche Designs und somit auch unterschiedliche Klangeigenschaften haben. Es scheint wohl sehr viel Entwicklung und KnowHow von Theo hier eingeflossen zu sein, da es doch mehr neue und ungewöhnliche Elemente gibt, als man es von traditionellen Mundstücken gewohnt ist. Hier mal eine kleine Auflistung für die Saxophon Nerds unter uns. Wer mit dem Jargon und Fachbegriffen jetzt nicht viel anfangen kann, den interessiert das wahrscheinlich eh nicht und kann den folgenden Absatz überspringen.
Sopran
Concert: Step into large Bullet Baffle, square Throat
Jazz: long Baffle, small Step into small Bullet, U-Throat
Alto
Concert: Bullet Baffle, O-Throat
Jazz: Bullet Baffle, O-Throat, große kammer
Contemporary: Roll Over Baffle, into Step, into Small Bullet, O-Throat
Tenor
Concert: Flat Baffle, small late Step, U Throad
Jazz: light Roll Over, wavy Grooves (down curved), big Chamber, big O-Throat
Contemporary: straight Grooves, Step, Bullet, small chamber, slim O-Throat
Bariton
Concert: slight Roll Over, slim Chamber, square Throat
Jazz: Roll Over, wavy Grooves (upwards curved), Bullet, slim O-Throat
Auch wenn die Concert auch etwas unterschiedliche Geometrien haben, kann man hier den Klang gut zusammen fassen. Rund, homogen, eher dunkel und warm, aber auch leicht kantig/definiert, wie man es von einem klassisch orientiertem Mundstück erwartet. Allerdings sind die Concert auch die Mundstücke, die mich in diesem Test etwas weniger begeistert haben. Man merkt doch, dass Theo eher ein amerikanischer Jazzer ist und kein europäischer Klassikspieler. Definitiv sind sie ein guter Match für Blasorchester, aber einen Klassikprofi dürften sie wahrscheinlich nicht überzeugen. Da ist ein Selmer Concept doch noch ausgeglichener, runder und feiner und bietet mehr Möglichkeiten im Ausdruck. Dafür haben Theos Concert Mundstücke etwas mehr „Dampf“.
Zudem sind Selmer und Vandoren im unter 200€ Segment auch noch recht gut aufgestellt. Aber es gibt auch immer wieder Spieler, die mit diesen beiden Marken nicht warm werden, für die wären die Concerts ein Versuch wert.
Dafür fand ich die Jazz und Contemporary umso spannender. Eigentlich hätte ich gedacht, dass sich das Alto Jazz an Meyermundstücken orientiert. Es ist aber doch deutlich dunkler und wärmer, also eher wie ein Otto Link Hard Rubber. Macht auch irgendwie Sinn, da Theo mit dem NY Bros. bereits einen hervorragenden Meyer Klon im Sortiment hat und man auch zum Contemporary Alto einen deutlicheren Unterschied hat. Dies ist wie erwartet deutlich heller, bleibt aber stets ausgeglichen und gut beherrschbar. Eine echte Ausnahme unter modern klingenden Altomundstücken, die meist anspruchsvollere Metallmundstücke sind, die schnell mal etwas zu sehr knallen. Einzige alternative waren bisher die Claude Lakey, die aber nicht so verbreitet sind und auch immer mal leichte Fertigungsschwankungen hatten. Hier füllt das Contemporary eine echte Lücke. Und eine meiner Schülerinnen nutzt es bereits seit einiger Zeit und trotz des von ihr gewünschten Modernen Klanges wird es nie zu scharf oder unangenehm.
Das Jazz Tenor ist deutlich eine Reminiszenz an Otto Link; ein voller warmer klassischer Jazzklang. Was will man mehr?
Das Contemporary Tenor macht deutlich mehr Dampf als alle anderen Mundstücke der Serie. Im Gegensatz zum Alto hat dies deutlich mehr Kern. Da ist deutlich mehr Rock’n’Roll als Smooth Jazz drin. Geiles Teil für jeden Hobby Bluessaxophonisten.
Für Sopran und Bariton gibt es, wie bereits erwähnt, neben dem Concert nur die Jazz Variante. Für beide Saxophone bin ich kein Spezialist, aber ich würde beide Mundstücke als Allrounder im populären Bereich bezeichnen.
Das Barimundstück sehe ich sowohl in der Bigband, Saxophonquartett und im Funkbläsersatz. Für alles gibt es definitiv speziellere Mundstücke, aber für mich, der nur ab und zu mal Bari spielt, ist das ideal.
Das Sopran Jazz fällt sogar noch etwas runder und wärmer aus, als ich es von Theo gedacht hätte. Definitiv kein Kenny G, voll und ausgeglichen, genau mein Geschmack. Ich musste damals ziemlich lange suchen, bis ich was in die Richtung gefunden habe. Da das Sopran doch schnell mal die Tendenz hat zu hell (grell) und scharf zu werden, ist das für mich eine sinnvolles Design für diese Serie.
Eines haben die Mundstücke aber alle gemeinsam. Dass sie sich leicht, bequem und sicher spielen. Man merkt, dass Theo beim Bahndesign eher Anfänger und Hobbyspieler im Kopf hatte. Man bläst rein und hat sofort einen stabilen Ton der in die designte Klangrichtung geht. Das ist natürlich ein Segen für jeden, der noch nicht so viel Erfahrung hat oder nicht regelmäßig zum spielen kommt. Allerdings schränkt das für erfahrene Spieler auch die Möglichkeiten in der Modulation ein. Es ist wie auf Schienen geführt, dafür hat man dann weniger Flexibilität. Das ist halt ein Tradeoff, wo jeder selbst entscheiden muss, was er möchte/braucht.
Ich habe immer mal wieder Schüler gehabt, die an sich richtig gute Mundstücke hatten, dann aber je nach Tagesform sich abgemühten, einen schönen Klang zu produzieren. Ein flexibles Mundstück fordert halt auch mehr Aktivität.
Für mich persönlich „als Profi“ sind daher die Alto und Tenor Mundstücke weniger interessant, da ich da die volle Range brauche. Auf dem Bari, das ich recht wenig spiele, kommt mir das aber dann wiederum entgegen. Und gerade auf dem Sopran gibt mir das etwas extra Stabilität, die ich sehr zu schätzen weiß. Gerade als Nebeninstrument kann das Sopran etwas tricky sein. Deshalb ist es wohl das, was ich mir aus der Serie als erstes selbst zulegen würde.
Aus diesen ganzen Gründen sind die Essentials jetzt auch eine der wenigen Blindempfehlungen von mir als Lehrer an meine Schüler. Ich kann mir sicher sein, dass die Qualität stimmt, es stabil klingt und anspricht, der gewünschte Sound raus kommt und das für einen Preis der nicht das Budget bricht. Und ich kann auch den Saxophonläden nur empfehlen, zumindest die Jazz und Concept in ihr Sortiment aufzunehmen.
Inzwischen sind die Mundstücke bei einigen Händlern erhältlich, einfach mal bei eurem Saxophonladen eures Vertrauens nachfragen. Ansonsten kann man beim neuen deutschen Vertrieb Musikatelier Knopp fragen.
Theo Wanne und Knopp sind übrigens beide auch auf der Musikmesse Brawo in Stuttgart diese Woche. Dort könnt ihr dann natürlich selbst testen. Zudem gibt es wohl brandneu auch eine Essentials Metallserie, was dann wahrscheinlich wieder eher für eingefleischte Saxophonisten interessant ist und eine neue Version des NY Bros, auf die ich schon scharf bin, da ich den Vorgänger seit fast 10 Jahren spiele.
Falls ihr vor Ort seid, dann sagt doch mal Hallo.





