hier nun die zweite Lektion von Thomas Voigt:
Hallo!
Nachdem ich bereits etwas zum Thema Atmung geschrieben habe, möchte ich nun in dieser Lesson einiges zum Thema Halsstellung loswerden.
Wir gehen als Grundvoraussetzung davon aus, dass die Luft aus dem Zwerchfell ins Instrument geblasen wird. Nun müssen wir darauf achten, dass wir uns an der engsten Stelle im Körper nicht alleine den Hahn abdrehen. Das ist vielleicht gut mit folgendem Bild vorstellbar: Ein Gartenschlauch ist an einen Wasserhahn angeschlossen. Der Wasserhahn ist aufgedreht und es bestünde theoretisch die Chance, dass das Wasser ungebremst durchfließen könnte. Nun kommt irgendein Spaßvogel und knickt den Schlauch mittig ab. Das Wasser kann nun nicht mehr mit seinem vollen Volumen durch den Schlauch fließen.
Unser Hals ist in diesem Fall mit dem abgeknickten Schlauch gleichzusetzen. Gerade im Hals im Bereich des Kehlkopfes befindet sich die engste Stelle unseres Körpers. Wir benötigen nun eine Einstellung am Kehlkopf, die einen guten Luftfluss garantiert. Wir bedienen uns da der Selbstlaute. Die deutschen Selbstlaute „a, e, i, o, u“ sind für diesen Zweck aber nicht zu gebrauchen, da sie sich von ihrer Lautbildung her eher von der Klangfarbe im Mund bilden und nicht primär im Hals. Übung 1: sprich deutlich mit geöffnetem Mund die Laute „a, e, i, o, u“.
Wir gehen in die englische Sprache zu dem Wort „I saw“ -> „ich sah“. Der Laut von dem Wort „aw“, richtig gesprochen, bildet sich weit hinten im Hals. Übung 2: sprich den Laut „a“ und verändere diesen Laut hin zu dem Laut „aw“. Dabei sollte sich der Hals weiter öffnen und der Kehlkopf verschiebt sich dabei etwas nach unten. Diese Übung sollte nur soweit trainiert werden, wie es sich „gut“ und „angenehm“ anfühlt, da man bei einer Übertreibung einen Brechreiz herbeiführen kann.
Nun ist es eine Sache, den Hals offen zu machen, aber eine andere, dies noch in Kombination mit dem Instrument zu machen. Hierzu möchte ich zuerst erklären, warum ich es für sinnvoll halte, auf diese Art und Weise Saxophon zu spielen: In der Sprache bilden wir unterschiedliche Tönhöhen über die Kehlkopfstellung. Sprechen oder singen wir nun eine Tonleiter aufwärts, wird der Hals enger, der Kehlkopf bewegt sich nach oben. Sprechen oder singen wir eine Tonleiter abwärts, wird der Hals offener und weiter, der Kehlkopf bewegt sich wieder nach unten.
Viele Saxophonisten machen leider den Fehler, dass sie bei einer musikalischen Aufwärtsbewegung eben nicht nur die Finger entsprechend bewegen, sondern – völlig ohne Grund – den Kehlkopf in der Art des Singens mit nach oben bewegen. Und wer kennt nicht das Ergebnis: die hohen Töne klingen eng und gequetscht. Spielt man eine Abwärtsbewegung, so hat das plötzlich den gegenteiligen Effekt. Und auch hier (wer kennt das Ergebnis nicht): die tiefen Töne sind zu tief.
Beim Stimmen mit dem Stimmgerät erleben wir nun folgendes Phänomen: die hohen Töne sind zu hoch und die tiefen Töne sind zu tief! Ein weiteres Problem ist, dass man, je nachdem, welche Töne man spielt, ob eher höhere oder tiefere Töne, mit der „normalen“ Blastechnik nicht weiter kommt. Der Spieler fängt an, Modifikationen an sich selbst vorzunehmen. Als Begründung kommt dann oft: „aber ich muss doch die Lippen lockerer lassen, damit die tiefen Töne kommen“ oder „ich muss mit festerem Biss an das Mundstück gehen, damit die hohen Töne kommen“.
Mit „meiner“ Blastechnik (Zwerchfellatmung, offener Halsstellung „aw“ und einem klassischen Ansatz) kann ich alle Töne auf dem Saxophon spielen, ohne etwas verändern zu müssen, um einzelne Töne überhaupt anspielen zu können. (Anmerkung am Rande: selbstverständlich korrigiere ich auch einzelne Töne bei verschiedenen Instrumenten, aber hier handelt es sich um das Ausgleichen von produktionsbedingten Defiziten von Instrumenten!)
Ich empfehle nun folgende Übungen in Kombination mit dem Instrument:
- Singe den Laut „aw“;
- Singe den Laut „aw“ und nimm dabei das Instrument in den Mund – hierbei ist darauf zu achten das sich der gesungene Ton nicht von „aw“ zu „a“ verändert, verschließe beim singen komplett das Mundstück mit den Lippen;
- Drücke während des Singens des Lautes „aw“ soviel Luft vom Zwerchfell ins Instrument, das zu dem gesungenen Laut ein gespielter Ton hinzukommt. In diesem Moment hört man eine Zweistimmigkeit von gesungenem und gespieltem Ton. Der gespielte Ton „scheppert“ allerdings dabei ein wenig.
- Blase nun den gespielten Ton ohne Unterbrechung weiter, beende nun lediglich das parallele Singen. Der gespielte Ton stabilisiert sich im Optimalfall sofort und man hat einen geraden, vollen und voluminösen gespielten Ton.
- Der damit geübte Spieler kann nun zur eigenen Überprüfung jederzeit beim Spielen den Laut „aw“ dazu singen um damit die eigene Halsstellung offen zu halten.
Ich gebe zu, dass das eine Übung ist, die nicht jedem Spieler auf Anhieb gelingen wird, die aber gewaltige Auswirkung auf die Tonqualität hat!
Viel Erfolg und Schöne Töne!
Hallo Tobias,
vielen Dank für Deinen netten Kommentar und beste Grüße zurück! Ich freue mich immer, wenn ich Blogs finde, die aus der Masse herausragen, fundiert und originell sind. In diesem Sinne weiterhin viel Spaß beim Schreiben und bis später mal wieder!
Michael
Ich habe eine Nachfrage: Thomas Voigt schrieb im letzten Absatz vor der 5er-Aufzählung, dass bei seiner Blastechnik: Zwergfellatmung, offene Halsstellung und klassischer Ansatz, alle Töne ohne Veränderung angespielt werden können.
Gilt diese Aussage auch für den modernen Ansatz?
Danke
Prislop
Definitives Ja,
da Rachen, Atmung Zungenstellung usw. dazu dienen die Luft optimal zu Leiten.
Der Ansatz hat definitiv mehr zu tun, wie man dann das Blatt schwingen läßt.
Ich kann nur raten, als Ergänzung zu diesem Artikel meine Lektionen „Longtones“ und „klassischer vs. moderner Ansatz“ noch zu lesen
Hallo!
Da ich selber von dem modernen Ansatz nicht überzeugt bin und ihn nicht benutze kann ich nur sagen dass meine Blastechnik beim klassischen Ansatz funktioniert! Ich habe noch nie einen Nicht-Profi-Saxophonisten getroffen, der den modernen Ansatz wirklich beherrscht.
LG
Thomas Voigt
Moin,
dieser Aufsatz von Thomas Voigt war ja früher im saxophonforum veröffentlicht, und es ist schön, dass er jetzt wieder verlinkbar ist.
Eine Anmerkung dazu von mir:
Ich habe mich lange Zeit gefragt, wo denn der Widerspruch zwischen Thomas Voigts „aw“ und David Liebmans „e“ liegt.
Tatsächlich, so meine Ansicht inzwischen, gibt es diesen Widerspruch nicht, nur, man sollte vorsichtig sein mit fremdsprachlichen Lautbezeichnungen.
Irgendwann ist mir aufgefallen, dass die Engländer das „e“, wie in „less“ ja nicht wie wir Deutschen das „e“ wie in „Engel“ aussprechen, sondern offen wie in „Bert“, also eher wie ein „ä“, bspw. wie in „Bäder“.
Das „aw“ wiederum wird von Engländern oft, je nach heimischem Dialekt tatsächlich enger gesprochen, wie David es in seinem Buch beschreibt, was immer unser Englischlehrer dazu gemeint haben könnte.
Ich bevorzuge seitdem in meiner Vorstellung ein sehr entspanntes und offenes „ä“, und komme damit wunderbar klar.
Saxophonistische Grüße,
Otfried
Vorsicht,
das „aw“ ist ein schöner Laut, um zu veranschaulichen, wie der Hals geöffnet sein muß und für die tiefen Töne und mittleren Töne, dass die Zunge flacher ist.
Jedoch bei den hohen Tönen und Altissimo stimmt das mit der Zunge nocht mehr so ganz. Die muß anderes gestellt werden, damit die Luft mehr kanalisiert wird. Nur für die Zunge ist daher das englische „e“ von Liebmann bzw. das deutsche „i“ sehr gut nur um die Zungenstellung zu veranschaulichen.
Auch gilt nicht allgemein immer, je weiter der Hals desto besser (siehe Miles und Gillespie 😉 ) Gerade bei den Obertonübeungen hatte ich mal Probleme, auf die 2. Oktave zu überblasen, weil der Hals zu offen war und daher die Luft zu sehr verwirbelte. Das heißt nicht Hals enger machen, sondern Luft gezielter führen.
Aber für den Anfang stimmt es schon, dass man sich gewöhnen muß, beim spielen den Hals zu öffnen, alles andere kommt dann auf den Hochschulen 😉
Hallo!
Es gibt für mich einen deutlichen Unterschied zwischen „aw“ und den anderen Lauten. Nur bei „aw“ (im Hals produziert) ist der Hals in einer möglichst offenen Stellung und lässt am Besten die Luft aus dem Zwerchfell durch den Körper.
Die Zunge bleibt bei mir normal im Mund liegen und sollte nicht nach Tonhöhe den Mundraum verändern.
Auch an Hochschulen muss daran dann nicht weiter verändert werden. Das gilt zumindest für reine Tonerzeugung sämtlicher Töne. Spezialeffekte, bewusste Klangfarbenveränderungen bzw. Intonationskorrekturen fallen für mich da nicht drunter – die sind ein anderes Thema!
LG
Thomas Voigt
Hallo Tobias,
es würde mich schon sehr interessieren, ob Thomas mit dem, was du da schreibst konform geht. Ich verstehe ihn da anders.
Vielleicht schreibt er selber mal was dazu ?
Gruß,
Otfried
Moin,
Thomas ist soweit ich weiss, gerade wieder on Tour, ausserdem hat er auch sonst wenig Zeit, daher weiss ich nicht, ob er sich hier mal meldet, aber ich glaube es eher nicht.
Ich sehe keinen Widerspruch in dem, was Thomas und ich geschrieben haben.
Zunge und Hals sind zwei Sachen. Offen ist gut, aber gerade im Altissimo (aber auch sonst) gibt es mehr zu beachten.
Eine andrere Methode die ich von Loren Stillman habe geht so :
Man spielt wie bei den Vorübungen zum Flageolett Register (tief Bb drücken, obertöne anspielen) einen langen Ton.
Dessen Volumen versucht man sich zu merken und versucht es anschließend mit dem richtigen Fingering nachzuspielen.
Dadurch, dass man bei der Vorübungen die ganze Luftsäule des Saxophones nutzt ist der Ton sehr voluminös und man ist gezwungen beim richtigen Fingering eine entsprechende Hals/Kehlkopf/Zwerchfell position einzunehmen um den Ton mit dem selben Volumen klingen zu lassen.
Hehe, schau mal bei den Lektionen bei den Longtones rein. Diese Methode heißt tone matching und stammt noch aus Raschers Zeiten. Die ist in der Tat sehr gut, jedoch muß ich sagen, dass Thomas Übung und Tonematching zwei Baustellen sind. Thomas bezieht sich nur auf den Hals, das Tonematching beinhaltet, deutlich mehr.
Hallo Tobias,
ich weiß, du hältst nicht viel von Mundstückübungen, aber für mich waren und sind sie DAS probate Mittel, um (gerade im oberen Register) meinen Sound (und Hals) zu öffnen und enorm zu verbessern. Du beschreibst an anderer Stelle den „Trick“, das MPC weiter auf den S-Bogen zu schieben und die nun zu hohe Stimmung durch das Öfnnen des Halses (bzw. das Voicing/inner embouchure) auszugleichen. Gerade das erreiche ich fast spielend seit ich Mundstückübungen mache (der „Silencer“ ist dafür ganz o.k. aber ein fluffiges Kopfkissen tut’s noch besser). Dazu gibt es auch einen sehr interessanten Artikel auf Doron Orenstein’s „bestsaxophonwebsitever“, die du kennen müsstest.
http://www.swsd.k12.wa.us/15902032092312263/lib/15902032092312263/Saxophone_Mouthpiece_Pitch.pdf
Kernaussage: Der für z.B. Tenor anzustrebende Ton G auf dem Mundstück gilt eigentlich nur für die Klassiker. Im Jazz/Rock ist ein tieferer Ton oft sinnvoller, da er einen reicheren, volleren Sound auf dem Sax bewirkt. Die verschiedenen Töne errreicht man natürlich über Veränderungen im Mund- und Rachenraum sowie die Zungenstellung (voicing/inner embouchure etc.). Wenn ich also tiefe Töne auf dem MPC erzeuge, öffnet sich der Hals, ohne dass ich über „aws“ oder „eees“ nachdenken muss. Bei den tieferen Mundstücktönen habe ich übrigens die „iii“-Zungenstellung Allards und eine „aw“-Halsposition – kein Widerspruch also!
Beste Grüße
Rüdiger
Ich habe einen Erwachsenen Schüler, Anfänger, der im Moment nicht weiter kommt, da er sagt, ihm fehlt die Kraft. In den Lippen, Backen, Zwerchfell. Wir haben viel Material getestet, aber keine Besserung.
Meine Vermutung ist, dass er „unterbläst“, also die Luft nicht schön ins Sax führt. Hast Du mir ein paar Tipps, was wir noch alles probieren könnten? Vielleicht brauche ich auch nur ein paar neue Formulierungen…
Danke und Gruß, Andrea
Ich würde meinen, dass er gar kein Körpergefühl hat, denn dass jemand nicht genug Kraft hat zu spielen ist Quatsch. Schicke ihm mal zu Feldenkreis, Alexandertechnik oder sowas. Ich vermute mal, dass er dann auch außerhalb des Spielens Probleme hat.
Alternativ einfach mal Sachen ausprobieren, die sämtliche Bad Habits umgehen, z.B. Mundstück mal falsch rum benutzen.