Jody Jazz DV – das Mundstück mit dem goldenen Schnitt

Diejenigen, die meine Mundstückodysee gelesen haben, wissen, dass ich dieses Mundstück regulär eigentlich gar nicht mehr spiele, aber nicht, weil es ein schlechtes Mundstück – im Gegenteil -, sondern weil es mir und meinen Soundvorstellungen nicht mehr so passte. Da es jedoch ein hervoragendes Mundstück, eigentlich noch recht neu auf dem Markt, auf  ein revolutionäres (ob, das wirklich so ist, soll hier geklärt werden) Prinzip basiert und zudem mit das teuerste Mundstück (neu), was man auf dem Markt kaufen kann, ist, dachte ich mir, dass sich ein Test lohnt.

DSC00675Jody Espina war sozusagen bei Runyon in der Lehre und schnitzt schon seid einiger Zeit sehr gute Mundstücke. Den Lehrmeister kann man z.B. daran erkennen, dass Espinas Mundstücke Classic und ESP mit einem Spoiler, den man schon von Runyon kennt, ausgerüstet sind. Besonders mag ich die Jazz HR Mundstücke (HR steht für HardRubber, also Kautschuk), die ich für sehr gute Allrounder zu einem vernünftigen Preis halte und gerne Anfängern und Fortgeschrittenen empfehle. Ich spiele dieses auf dem Sopran und auf dem Tenor habe ich es mir mal geliehen gehabt und war sehr angetan.

Vor ca. 3 Jahren brachte Herr Espina das Jody Jazz DV herraus, das für etwas Aufsehen erregte, da es doch in einigen Aspekten sehr ungewöhnlich ist, nicht zu letzt im rekordverdächtigen Preis von 400 Euro. Das erinnert ein wenig an die Dave Guardala Mundstücke.
Das Jody Jazz DV ist wie die Guardalas ein Metallmundstück mit ausgeprägter Stufe und bietet somit einen modernen lauten Rock/Funk/Pop-Sound welcher sich seit den 80zigern seinen Erfolgszug feiern. Angefangen hat es mit den Dukhoff Mundstücken (populär durch den Sanbornsound) und auch die Hawk und Berg Larsen Mundstücke schlagen in die Richtung. Inzwischen gibt es viele Mundstückmarken, die Metallmundstücke mit kleinen Kammern und steilen Stufen anbieten: Lebayle, Brancher, Beechler, Lawton, Vandoren, Ponzol, Theo Wanne usw. usw.
Früher war ich ein Fan davon, heute nicht mehr so, denn gerade die kleine Kammer und die steile Stufe machen diese schwer zu beherrschen (Intonation und voluminöser Sound). Zudem habe ich persönlich ein Problem mit der schlanken Außenform (genaueres dazu steht in der Mundstückodysee). Oft habe ich schon erlebt, dass sich Spieler mit diesen Mundstücken überschätzt haben und dass allgemein häufig Lautstärke mit Klangqualität verwechselt wird.
Die Guardalas sind ein Spezialfall, da sie die lautesten und teuersten sind (und deshalb auch oft für die besten gehalten werden). Sein Bartionmundstück kostete damals neu 1000 Dollar. Merkwürdigerweise zog sich Dave Guardala zurück, tauchte quasi unter worauf die Preise für seine noch handgefacten Mundstücke auf über 1000€ steigen (seltsamerweise kosten die Lasertrimmed (also exakter) nur um die 500. Wieder einmal richtet sich der Preis wahrscheinlich eher nach Seltenheit und Mythos. Vor ca. zwei Jahren wurde der Dave Guardala wegen Betruges am Frankfurter Flughafen festgenommen. Ob es da einen Zusammenhang gibt? Ich nehme an, dass das nicht förderlich für den Mythos seiner Mundstücke und deren Preise ist. Das Thema ist zwar sehr nebensächlich für den DV Test, wer darüber aber mehr wissen möchte kann hier nachlesen.

Zurück zum Jody Jazz DV. Das DV steht für da Vinci und soll somit auf den goldenen Schnitt verweisen, der beim Design des Mundstückes verwendet wurde und deshalb das Mundstück so heraus ragend machen soll. Der Goldene Schnitt ist eine mathematische feste Größe und beschreibt ein Verhältnis: a/b=1,618033988… . Dieses Verhältnis taucht in Technik, mathematischen Figuren, Architektur, Kunst und selbst in der Natur auf und beschreibt ideale Proportionen, die oft mit Harmonie und Ästhetik verbunden werden. Dies ist wirklich ein großes Thema, weshalb ich hier jetzt einfachheitshalber auf den dementsprechenden Wikipediaartikel verweise.
Diese goldenen Proportionen dienten als Grundlage für die „perfect chamber/bore/facing combination“. Wie das genau aussehen soll und was damit gemeint ist erschließt sich mir nicht ganz. Die an sich hervorragende Idee dazu kam Herrn Espina soweit ich weiß eher profan beim Lesen von Dan Browns „der DaVinci Code“. Zweifellsfrei ist das DV ein sehr gutes Mundstück, ob das nun an dem goldenem Schnitt liegt oder das nur eine gute Marketingidee ist, bleibt wohl unbeantwortbar.

DSC00624Das Mundstück wird in einer schicken und ökologisch einwandfrei aussehenden Holzschachtel geliefert. Dabei sind noch ein schöner schwarzer Samtbeutel und eine Rovner Dark Schraube. Persönlich halte ich nicht viel von der Kombination modernes lautes PopFunkRock Mundstück und Lederblattschraube, da es die Qualität dieser kleinkammerigen steilstufigen Mundstücke ist, dass sie viele hohe, helle und durchdringende Frequenzen erzeugen und die weichen Gewebebandschrauben genau diese Frequenzen wegfiltern. Ich habe Herrn Espina auf der Frankfurter Musikmesse mal darauf angesprochen und der sieht es eigentlich ähnlich wie ich. Er hat sich jedoch für die Rovner entschieden, weil die die Mundstücke nicht zerkratzen kann. Wäre doch schade um die teure 24k Vergoldung.
Und da kommen wir auch zum ersten Kritikpunkt. Das Plating der Vergoldung scheint nicht das beste zu sein, denn dieses wurde durch eine Kukidentkur, mit der ich ab und zu meine Mundstücke und Kunststoffblätter reinige, angegriffen und löste sich minimal ab. Bei einem guten Plating hätte das nicht passieren dürfen.
Dennoch sieht die Vergoldung sehr schick aus und auch sonst ist das Mundstück ein schöner Hinkucker (noch ein Grund gegen die wuchtige Rovnerblattschraube). An den Seiten ist ein Phi eingelassen, das mathematische Symbol für den goldenen Schnitt. Auch die Bissplatte trägt das Symbol.

Das Dach ist im Duckbill-Stil gehalten und ist daher sehr flach. Für manche Spieler mag das etwas ungewöhnlich sein. Ich selber nehme das Mundstück daher sehr weit in den Mund und Stoße daher manchmal mit meiner Oberlippe an die Kante des Mundstücks.
Das Innenleben ist in der Tat sehr besonders, fast schon kurios. Das Fenster hat eine Deep-V Form bzw „second window“, was sehr selten auf dem Mundstückmarkt ist. Ich habe das seriell nur noch bei Rovnermundstücken auch so gesehen. Diese Fensterform führt Herr Espina auf die längenverhältnisse des goldenen Schnitts zurück. Die Kammer ist für ein MetallPowerMundstück relativ groß, die Wände relativ dünn, der Einlauf recht flach. Auch die Stufe ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise gibt es nur runde Baffels, eine gerade Stufe oder eine Bulletstufe. Natürlich hat sich Jody Espina diese ganzen „Features“ patentieren lassen.
Das ganze Mundstück Mundstück ist wirklich hochwertig und exakt verarbeitet (bis auf das Goldplating). Es wird soweit ich weiß mit einer modernen CNC-Fräse hergestellt, dann nochmal per Hand nachkontrolliert und nach Herstellerangaben noch einmal von Herrn Espina persönlich ein letztes mal angespielt.

Somit ist das Handling auch auf hohem Niveau. (Wie gesagt, halte ich solche Mundstücke für alles andere als einfach zu beherrschen. Das heißt aber nicht, dass die Performance des Mundstücks schlecht ist. Das ist wie bei einem Rennwagen, höchst Performance, aber für den normalen Fahrer kaum zu beherrschen) Es spricht aufgrund des flachen Einlaufs sehr schnell an. Das Altissiomo kommt tadellos und selbst die Tiefen streiken nicht. Wenn man solche Mundstücke beherrscht ist auch die Skala recht ausgeglichen. Über eine bei dem Preis selbstverständliche gute Intonation brauchen wir gar nicht reden.
Ich habe auch sehr schöne Ergebnisse mir Tenorblättern auf dem Altomundstück erziehlt. Das lange Fenster scheint dies zu begünstigen.

Nun zum eigentlich wichtigsten: Wie kling das DV? Ich habe es damals trotz des Preises gekauft, weil es das beste Metallmundstück war, dass ich bisher gespielt habe. Das sehe ich heute nicht wirklich anders. Es stand bei der damaligen Kaufentscheindung in direkter Konkurenz zu einem Handmade Guardala Super King.
Fürs erste ist es unglaublich laut. Eines der lautesten Mundstücke die ich kenne. Und auch in Sachen Projektion kann es mit den Guardalas mithalten. Wer also gegen viele Trompeten oder E-Gitarren antreten muß, für den ist das genau das richtige. Ich konnte mich damit Problemlos gegen ein 50zig köpfiges Blasorchester durchsetzen.  Trotzdem ist das DV nicht schrill und dünn, was bei dieser Art von Mundstücken keine Selbstverständlichkeit ist. Das interessanteste ist aber, dass es trotz der riesen Stufe noch starke ausgeprägte tiefe sonore Frequenzen hat, die fast an einen Tenorsound erinnern lassen. Herr Espina erklärt das durch das extra lange Fenster, dass den Sound resonanter macht. Diese Tiefen waren es, die das DV  für mich besonders gemacht hat und weshalb ich es mir am Ende gekauft habe. Quasi ein modernes Pop/Rock/Funk MPC mit „Charakter“.

Vor fast zwei Jahren hat dann Jody Espina noch das DV NY rausgebraucht (kryptischer geht es kaum noch, womit wir wieder bei Dan Brown wären). Es hat einen weniger flachen Einlauf und steile Stufe und eine größere Kammer (was natürlich die Frage nach den sich bedingenden Proportionen des goldenen Schnitts aufwirft), hat somit einen dunkleren weicheren Ton und ist deshalb das „Vintage Mundstück“. Ich habe es leider nur sehr kurz antesten können und kann daher hier nicht mehr dazu sagen. Für mehr Infos verweise ich auf die gut gemachte und informative Herstellerseite von Jody Jazz.

Kommen wir endlich zum Fazit. Ich kann das Jody Jazz DV bedenkenlos fortgeschrittenen und erfahrenen Spielern empfehlen, die einen modernen durchsetzungsfähigen Sound suchen und das nötige Kleingeld haben. Es ist definitv ein Prachtstück, mit dem man im Saxophonsatz angeben kann. Ansonsten muß ich allerdings sagen, dass es viele Mundstücke gibt, die in dieser Richtung ähnliches bieten und auch hervorragend sind, aber längst nicht so viel kosten.

PS: tut mir leid, aber auf dieschnelle konnte ich das Mundstück nicht besser reinigen, weshalb es auf manchen Bildern vielleicht nicht ganz so schnieke aussieht. Naja, aber Jazzer spielen ja eh nie auf sauberen Instrumenten.

http://www.de.jodyjazz.com/

3 Gedanken zu „Jody Jazz DV – das Mundstück mit dem goldenen Schnitt

  1. Danke für diesen Test.

    Habe es mir vor 2 Monaten gekauft und nun diesen Test hier gefunden. Sehr gut beschrieben, besonders die Sache mit dem Sound. Jetzt weiß ich auch was dieses seltsame Zeichen bedeutet. Mein Lehrer hat sich schon gewundert, was ich da angeschleppt habe 😉

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