klassischer vs. moderner Ansatz

Immer wieder kommt die Frage auf, was denn ein klassischer und ein moderner Ansatz überhaupt ist, wo denn der Unterschied ist und welcher nun der richtige ist.

Heute möchte ich mal ein paar Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema nieder schreiben.

Der Ansatz dürfte wohl einer wichtigsten Faktoren für den Sound sein, weshalb die Diskussion über den optimalen Ansatz mehr als gerechtfertigt ist. Jedoch bin ich überzeugt davon, dass es nicht das „eine richtige“ Patentrezept gibt, wie denn der Ansatz auszusehen habe.

Ich finde die Namensgebung sehr zutreffend, da sie doch von der historischen Entwicklung, dem technischen Einsatzgebiet und dem Klang passend ist.

Der klassische Ansatz wird auch oft als Klarinettenansatz bezeichnet, da er von dort auch kommt. Das Saxophonmundstück ist auch eine Entwicklung von der Klarinette und so ist es nicht verwunderlich, dass sie gleich gespielt werden.

Der Unterschied zu dem modernen Ansatz ist vereinfacht ausgedrückt eigentlich nur Stellung der Unterlippe.

Bei dem Klassischen wird sie über die Zähne nach innen geklappt und darauf dann das Mundstück gelegt; während bei dem modernen die Unterlippe eher nach außen geklappt wird und die Lippe nur noch an den Zähnen quasi aufliegt.

In der Praxis sieht man viele Zwischendinger aber auch extreme (beliebt bei einigen Jazzern der „Kußmund“).

Der Hauptunterschied im ist, dass man beim Klassischen der Kiefer als feste Stütze dient (bitte nicht mit beißen verwechseln, eher als starren Punkt sehen, wo das Mundstück aufliegt) während man beim modernen ausschließlich auf die Ringspannung der Lippen setzt („öööö“ siehe Longtoneblog). Das heißt aber nicht, dass beim klassischen Ansatz nicht mit der Lippenspannung gearbeitet wird (man ist sich eigentlich einig, dass das „Klarinettenlächeln“ auf dem Sax falsch ist).

Genau daraus folgt auch der große Unterschied im Klang und Handling. Durch die Stütze des Kiefers bei der klassischen Variante hat man mehr Sicherheit und einfachere Kontrolle (klanglich aber vor allem auch Intonation!). Der Moderne lässt dagegen das Blatt deutlich freier schwingen; der Ton klingt fetter und „brötziger“.

So erklären sich auch, warum im Jazz, wo man seinem Ton Kraft, Charakter und Aussage geben möchte, deutlich öfter der moderne Ansatz zu finden ist, hingegen im klassischen Bereich, wo absolute Tonkontrolle enorm wichtig ist, deutlich öfter auf Saxophonisten mit eingezogener Unterlippe trifft.

Ich persönlich komme ursprünglich von der Klarinette, habe also mit dem klassischen Ansatz auf dem Saxophon angefangen. Es lief damals alles recht problemlos. Irgendwann begann meine Leidenschaft für das Sax und den Jazz ernster zu werden und ich begab mich auf meine Soundsuche. Um meinen Sound größer und mächtiger werden zu lassen, wechselte ich immer mehr in kleinen Schritten zu dem modernen Ansatz. Ich klang jetzt laut und durchdringend; leider aber auch oft schrill und Intonations- und Konditionsprobleme häuften sich. Ich muß sagen, es gab Zeiten, wo ich den wechsel bereut habe. Doch durch fleißiges Üben, habe ich das nun im Griff und habe einen Sound, mit dem ich halbwegs zufrieden bin; Laut, kräftig, Charakter aber nicht unangenehm und zudem recht flexibel.

Als ich dann mit dem Sopran anfing, habe ich unbewusst erstmal wieder wie auf meiner Klarinette gespielt (war vom Feeling doch halbwegs vergleichbar). Aber wegen meines Soundwahnes habe ich hier auch versucht konsequent modern zu spielen. Letztendlich bin ich wieder zurückgewechselt und spiele auf dem Sopran einen eher klassischen Ansatz, da ich das Sopran so deutlich leichter beherrschen kann.

Hingegen könnte ich mir auf dem Bari mit einem Klassischen gar nicht vorstellen zu spielen; wäre mir viel zu verkrampft.

Ich hoffe, dem einen oder anderen hat dieses jetzt etwas weitergeholfen auf seiner „Reise“. Ich meine, dass der richtigste Ansatz der ist, der für einen am besten funktioniert. Ich kann euch nur raten, vielleicht mal etwas zu experimentieren.

All denjenigen, die dennoch auf der Suche nach konkreten Ratschlägen sind, wie es denn am ehesten gut funktioniert, denen empfehle ich, sich selber durch David Liebmans „Der persönliche Saxophonsound“ durchzuarbeiten. Wenn man irgendwas als das „richtigste“ bezeichnen kann, dann das, was dort geschrieben steht.

Er befasst sich dort ausführlich mit Anatomie und korrekten Stellungen von Lippen, Zunge und Rachen und erklärt recht verständlich; absolut lesenswert für jeden ambitionierten Saxophonisten.

8 Gedanken zu „klassischer vs. moderner Ansatz

  1. Hallo Tobias,

    erstmal grosses Lob für deinen Blog. Sehr ausführlich und informativ.
    Ich habe 4 Jahre Unterricht mit einem klassichen Lehrer gehabt, habe also die ganze Zeit mit klassischem Ansatz gespielt. Eigentlich war ich auch immer an Jazz interessiert, aber da alle Schüler und Lehrer diesen Lehrer gelobt haben, dachte ich das ich mit ihm eine solide Basis bekommen werde. Ich bin also doch bei ihm geblieben, habe recht langweilige Etüden gespielt…und am Ende nach meinem Umzug das spielen komplett aufgegeben. Das war vor ungefär 3 Jahren.
    Nun habe ich letzte Woche sehr viel Lust verspürt, zu musizieren und mir ein Saxophon gekauft. Der erste Übungstag war wie erwartet schrecklich, mann fragte sich was man da vorher die ganzen 4 Jahre gemacht hat, um so grausam zu klingen. Heute ist der zweite Tag, und es klingt schon besser. Nun habe ich tatsächlich zum ersten mal auf deinem Blog erfahren, das es einen modernen Ansatz gibt. Jetzt verstehe ich auch warum Jazzsaxophonisten auch anders klingen! Da ich in der Zukunft eigentlich überhaupt nicht interessiert bin, „klassisch“ zu spielen, möchte ich mich langsman auf den modernen Ansatz umstellen. Du hast gesagt, das du in kleinen Schritten zum modernen Ansatz gekommen bist, könntest du das vielleicht etwas näher erläutern und ein paar Tips geben? Als ich zuerst probierte, die Unterlippe nach aussen zu setzen, kamen kaum brauchbaren Töne aus dem Saxophon. So habe ich probiert, die Unterlippe erstmal nicht so weit auf die Zähne zu setzen, sondern eher vor die Zähne, wobei sie trotzdem noch nach innen gedreht ist. Das funktionniert bisher relativ gut, damit kriege ich recht ordentlich (soweit man am 2. Übungstag nach 3 Jahren von ordentlich sprechen kann) alle Töne heraus, die ich auch vorher spielen konnte (also bis zum hohen F).

  2. Hi David,
    also erstmal möchte ich klar stellen, dass die zwar etwas unterschiedlich klingen, aber der Hauptunterschied ist im Handling und der Kontrolle.
    Nur durch das Hervorstellen der Unterlippe wirst du nicht wie Coltrane klingen und es gibt verdammt viele gut klingende Jazzer, die einen eher klassischen Ansatz haben.
    Zum Sound gehört viel mehr, als nur die Unterlippenposition.
    Ich rate dir, noch meinen Longtones Eintrag sowie die Tipps und Tricks für einen Sound durchzulesen. Dort steht eine Menge nützliches.
    Unterlippe vorstellen klingt erstmal brötziger und nach mehr, das heißt aber nicht unbedingt besser. Und wie gesagt, es gab Zeiten, wo ich mit dem Wechsel nicht zu frieden war. Ich kann dir nur raten, deinen eigenen optimalen Weg zu finden. Das was am natürlichsten wirkt, ist meist auch das richtigste. Ein Lehrer kann sehr viel helfen, schnell Fortschritte zu machen (auch dazu habe ich etwas geschrieben)
    Halt mich doch mal auf dem laufenden, wie es bei dir mit der Entwicklung so läuft.

  3. hi tobias,

    arbeite gerade deinen blog durch.

    zum ansatz: es geht mir wie dir, auf dem tenor modern, auf dem sopran einen klassischen ansatz. ich glaube das hat mit der charakteristik des instruments insbes. des mundstücks zu tun.

    noch was ist mir aufgefallen (hat aber nichts mit dem ansatz zu tun, dafür mit der charakteristik des instruments):

    beim sopran gibt es viel kleinere soundveränderungen bei wechsel von blatt und mundstück als beim tenor!

    empfindest du dies auch so?

    gruss

    andi

    • Könnte sein, da das Sax wesentlich kürzer ist und so weniger den Ton formt als das größere Tenor. So könnten Mundstück, Blatt und Spieler vielleicht verhältnismäßig einen größeren Einfluß haben. Ist mir allerdings noch nicht so aufgefallen, weil ich beim Sopran schnell eine sehr gute Kombination gefunden habe mit der ich mehr als zufrieden bin und ich beim Sopran nicht so stark den Drang habe alles auzuprobieren wie beim Alt.

  4. salve,
    gibt es überhaupt notenmaterial für das sopran, ich kenne die niehaus hefte- das meiste zeugs tönt lausig mit dem sopran.
    tenor mat. zu spielen ist auch nicht das wahre-
    danke für antwort
    dr.knebel

  5. Hallo Tobias, sehr schöner Blog, komme immer mal wieder vorbei. Bin einer der berüchtigten Klarinettisten, die Saxophon unterrichten. 🙂 Stelle aber immer wieder fest, daß diese „Verbissenheit“, die die Saxer den Klarinetten – oft zurecht – vorhalten, dort auch nicht angebracht ist. Wenn ich virtuos Mozart oder Weber spielen will, muss ich soviel Lippenspannung haben, daß ich ohne Zähne auskomme, bei der Intonation in der Höhe. Ich glaube, auch auf der Klarinette ist die Zeit dess Beißens und Lächelns vorbei. Wien hat bei verschiedenen Entwicklungen schon immer etwas länger gebraucht;-)
    Grüße Frank

    • Beißen ist auch auf der Klarinette falsch (steht das nicht im Artikel? vielleicht sollte ich den nochmal neu schreiben). Auf der Klarinette rächt es sich nur nicht ganz so fix/arg und der Ansatz läd ja auch etwas dazu ein, wenn man nicht drauf achtet.

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