Stories von einer US-Tournee

Nun, ich hatte ja versprochen, dass ich von der US-Tournee erzählen werde. Dies soll jetzt kein chronologisch vollständiger Bericht werden, sondern eher eine wahllos zusammen gewürfelte Sammlung von Anekdoten, Erfahrungen und interessanter Ereignisse, an die mich jetzt noch erinnern kann.

Unser Hauptengagement hatten wir in Fort Wayne zum Germanfest. Eine Art Oktoberfest für Amis. Und aus irgendeinem Grund wollten sie dieses Jahr eine deutsche Jazzband. Neben uns waren in LineUp auch so Größen wie die Spitzbuam und die Randfichten. Natürlich mußten wir nicht im großem Bierzelt spielen sondern eher die exklusiveren Randevents in den Clubs. Dennoch führte unsere Anwesenheit dort zu einigen kulturellen Mißverständnissen und sonderbaren Begebenheiten; und damit meine ich nicht das Ferkelwurststopfen, welches wir glorreich für Deutschland gewonnen haben.
Vielmehr ergründeten wir die deutschen Wurzeln und den Stellenwert des Jazzes in dessen Geburtsland.

Naja, zunächst einmal war ich sehr happy, dass ich mein Tenor mit ins Handgepäck nehmen konnte. Es ist doch erstaunlich, was so alles oben in die Gepäckablagen passt. Ob das so bei Ryan-Air funktioniert hätte, bleibt zweifelhaft. Ich wollte auch unbedingt ein Bild von dem durchleutetem Saxophon, der Sicherheitsbeamte schaute etwas verdutzt, als ich das  photographieren wollte. Das habe ich wohlweislich in München gemacht. Bei einem amerikanischem Sicherheitsbeamten, hätte ich mich das nicht getraut.

Ihr glaubt gar nicht, wo man uns spielen lassen wollte im ersten Club unserer Tour. Man dachte, dass es eine gute Idee wäre, uns quasi im Hinterraum (bei den Bierbraufässern) spielen zu lassen und uns dann über die Hausanlage laufen zu lassen. Wie konnten sie dann doch überzeugen, dass es aus akustischen Gründen („Joah, aber das würde hier halt doch sehr hallig klingen“), doch mehr Sinn machen würde im Gästeraum zu spielen. Würde ja auch gut aussehen. Sie waren zwar etwas mißmutig ein paar Tische für eine behelfsmäßige Bühne zu opfern.
Aber an sich, war das bezeichnend. Wir mußten dann doch öfters realisieren, dass Jazz in seinem eigenem Land nichts zählt (so in etwa wie dieser Prophet). In Europa ist Jazz eine überall akzeptiere Kunstform. In den USA ist Jazz eine akzeptierte Form der musikalischen Untermalung beim Essen.
Und tatsächlich in DEM Jazzclub von FortWayne kam dann ein Kellner zu uns, während wir spielten, und sagte uns, wir sollen leiser spielen, damit wir die Gäste nicht stören. Wir straften ihn dann mit einem „Du-wagst-es-uns-bei-unserer-Kunst-zu-stören“-Blick ab und spielten dann noch etwas lauter. (Nicht viel, gerade so, dass wir es mitbekommen haben, aber der Manager des Restaurants nicht).
Dennoch war die Resonanz nach unseren Auftritten immer überschwänglich. Die Leute kamen dann auf uns zu und lobten uns zum Himmel mit „Hey, Guys, you are great!“, „I loved your show, bro!“ usw. und kauften unsere CDs. Am ersten Abend fühlten wir uns noch ganz toll, merkten dann aber doch schnell, dass es sich hier nur um typisches amerkianisches Overstatement handelte und es eher unserem deutschem nüchternem „nicht schlecht“ entsprach.

Interessant war auch die Konfrontation mit den deutschen Wurzeln der Amerikaner. Einer derjenigen, die uns ansprachen, weil wir Deutsch sprachen, erzählte uns, dass 52% aller Amerikaner irgendwie deutsche Vorfahren hätten. Das konnten wir zwar gar nicht so recht glauben, aber es überraschte uns doch, wie viele irgend welche deutschen Urgroßeltern hatten und auch interessant war, was für deutsche Wortfetzen noch einige drauf hatte.

Wir hatten dann auch einen Gig in einer FußBallsportsbar. An dieser WM hatten die Amis besonders Interesse an Fußball bekommen, da sie sich ja verhältnismäßig gut geschlagen hatten. Aber so ganz scheinen sie das Spiel wohl nicht begriffen zu haben. Der Tischkicker, den wir dort entdeckten hatte aus irgendwelchen Gründen 26 Spieler. Aber was soll man von jemand erwarten, die Jubeln, wenn der Ball ins Torwartaus geschlagen wird, weil sie denken, dass gerade ein Touchdown erzielt worden ist.
Diese Fußballsportsbar war wohl auch der deutsche Treffpunkt in FortWayne, denn als wir diese betraten, erblicken wir an den holzgetäfelten Wänden Hirschgeweihe und deutsche Wappen. Und überall standen an den Wänden in pseudoaltdeutscher Schrift  auf Deutsch alte Lebensweisheiten wie „Ein treuer Hund, ein gutes Pferd, sind mehr als tausend Weiber wert“.
An dem Abend gab es eine recht hohe Lederhosenquote. Obwohl wir an diesem Abend, wie üblich wieder über den hohen Klee gelobt worden sind (siehe oben), waren doch wohl nicht alle ganz glücklich mit unserem Repertoir. Man kam auf uns zu und man fragte uns in sehr gutem Deutsch, ob wir nicht auch mal eine Polka spiele könnten. Eine Dame erzählte uns sogar, dass sich ihr Mann nie mit „dieser Hottentottenmusik“  (O-Ton!) anfreunden konnte.

Verblüffend ist auch, was so als Deutsches Kulturgut über den Teich kommt. Wir wurden mehrfach gefragt, ob wir nicht auch etwas von Rammstein spielen könnten. Wir waren dann meist froh, dass sie nichts von Tokio Hotel hören wollten, die sich dort ja auch zur Zeit großer Beliebtheit erfreuen.
Als deutsche Volkslieder gelten dort übrigens schon Helge Schneiders „FitzeFitzeFaze“ und „Katzenklo“ welches unsere Gastmutter textsicher vorsingen konnte.

Für weitere deutsche musikalische Inspiration und natürlich um etwas Bier, Sauerkraut, Würstle und Bretzel (oder zumindest was die Amis dafür halten) zu gönnen. Wir waren etwas erstaunt über die Qualität der musikalischen Darbietungen. (Wie schnell doch ein Soundcheck gehen kann, wenn man nur überprüft, ob alle Mikros an sind). Es war streckenweise ganz lustig, deutschtümliche Gassenhauer von Amerikanern in Lederhosen zu hören. Und tatsächlich gab es auch große Unterschiede in der Qualität.
Wir haben sogar einen Soundcheck einer Band mitbekommen, der ungefähr so ablief: „-Ist das Mikrophon an? -Ja, das ist an! -Ist dieses Mirkophon an? Ja, das ist auch an? Und ist das Mikrophon an? …“
Jedoch einen Bass habe ich auf der Bühne nie gesehen, aber gehört (wo der wohl herkam).
Dafür waren einige kuriose Saxophonspieler dabei. Saxophon und Polka sind also doch vereinbar, zumindest irgendwie. Von einem habe ich sogar ein hübsches Video. Die Stimmung der Amis war fröhlich und feucht. Teutonische Musik scheint wohl allgemein für mehr Stimmung zu sorgen als unser Jazz und Funk. Vielleicht lag es aber auch am deutschem Bier und daran, dass wir uns im Herzen des Amerikansichen Biblebelt (Indiana) befanden.

Interessant war auch unser Besuch bei „Sweetwater“, dem amerikanischem Thomann Gegenstück. Nachdem wir in den eher zu Prestigegründen existierenden Verkäufsräumen ordentlich Krach auf den neusten Spielereien gemacht hatten, wagten wir noch ein paar Blicke im Rest des Unternehmens. Anscheinend läuft SweetWater ganz gut, denn neben eigenem Aufnahmestudio und Konzertsaal, gab es für die Mitarbeiter allerlei Annehmlichkeiten wie Fitnessstudio, Friseur, Indoorgolf , Spielehalle und Bistro. Ob das bei Thomann ähnlich aussieht? Die Lager und Verpackungshalle war in ihren Ausmaßen mehr als beeindruckend (siehe Photo).

Aber es gab auch ein Paar Lichtblicke. In Chicago war der Vibe doch anders. Das merkte man schon an dem ersten Saxophon spielenden Straßenmusiker, der uns über den Weg lief und irgendwie verdammt authentisch spielte.
Dort hatten wir einen Gig in einem UndergroundClub der in der Szene landesweit bekannt ist. Dort hatten wir auch eine ganz andere Resonanz. Deshalb sind wir am nächsten Abend nochmal hin für die Pro Session um ein wenig von der echten Jazzszene mitzubekommen.
Ich habe noch nie Musiker live so grooven gehört. Wie von einer anderen Welt. Ich weiß nicht, ob ich erwähnen muß, dass fast alle Musiker schwarz waren. Es gab auch eine Saxophonistin die einen gewaltigen Druck drauf hatte und wahrscheinlich die weibliche indianische Variante eines Maceo Parkers ist. Ihr indianischer Name war übersetzt „Crazy Fox“ was sich als sehr passend (nicht nur wegen der Fuchsschwänze, die hinten baumeln hat) rausstellte. Auch der Rest war gigantisch. Ein älter Pianist (natürlich auch schwarz) dem man das Gefühl hatte die Lebenserfahrungen zu hören. Ein Percussionist mit sehr starken Afrikanischen Wurzeln der gelegentlich auch ein sozialkritische Poetry improvisierte. Schwarze Schwestern die fantastisch Jazz, Soul und Funk Standarts intonierten und feurige Scatsoli ablieferten. Ein junger Posaunist in Anzug, der Mister Cool persönlich hätte sein können. Eine RaggaeDrummer der so herrlich laidback und groovend spielen könnte, und natürlich ein etwas beleibter Bassist der sich am Soul großgessen hat. Aber es war nicht alle so dunkel pigmentiert. Ein weißer hammer Sänger, ein Harpspieler mit amtlichen Harphalfter und ein Bluesgitarrist (geschmacklose Hawaiihemden scheinen wohl immer noch ein Musthave zu sein). Kurz alles ultra authentisch. Es wurden alle Klischees erfüllt, aber nur im positiven Sinne.
Wir haben uns dann auch ein wenig mit ihnen unterhalten um zu erfahren, wie es so den amerikanischen Jazzern ergeht. Obwohl wir es mit Leuten zu tun hatten, die schon auf Welttourneen unterwegs waren verdienen die in Chicago je nach Monat um die 2100 bis nur 500Dollar was in so einer Stadt so gut wie nichts ist.
Auch sehr interessant fand ich, dass keiner von denen von Berklee oder Konsorten stammen. Sozusagen alles auf den Straßen von Chicago oder NewYork aufgesogen. Das erklärt auch diesen Groove, denn diese Leuten spielten mit so viel „Heart and Soul“ so wie wir es mit unser preußischen Marsch-, bayrischen Volksmusiktradition wahrscheinlich nie so nachmachen können. Irgendwie eine bittere Erkenntnis, aber anderseits haben wir dafür Bach und Co., aber das kann man sich nur schwer auf der Straße aneignen.

2 Gedanken zu „Stories von einer US-Tournee

  1. Du hast Bratwurst und Sauerkraut vergessen.
    😉

    Tobias, was Deine Einschätzung von preußischer Musik anbelangt, stimmt alles.
    Dafür spielen wir aber unsere Märsche mit voller Inbrunst!
    *ggg*

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