Vom 22.6.-26.6.2011 traf sich die zukünftige Jazzmusikerszene DEUTSCHLANDS in Dortmund zur 9. Bundesbegegnung Jugend jazzt. Ich hatte die Gelegenheit als Feature des Bremer Preisträgers mitzufahren. Zwar durfte ich beim Wertungsspiel nicht mitmachen, da ich mit meinen 27 Jahren im Verhältnis schon ein alter Sack bin.
Dafür kann ich jetzt als leicht Außenstehender auch diesen Artikel so schreiben.
Die Teilnehmer (zwischen 16 und 25) hatten sich über die Landesausscheide für die Bundesbegegnung qualifiziert. Die Besetzungen waren höchst unterschiedlich. Neben traditionellen Quartetten und Trios gab es auch exotischere Besetzungen mit zwei Vibraphonen und Pauken aber auch reduzierteres wie ein Trio aus Bass, Schlagzeug und Gesang oder ein Duo aus Sax und Drums. Ähnlich vielseitig waren die dargebotenen Jazzstilarten. Zwar gab es auch traditionelles, aber eher viel modernes und experimentelles, sowie Jazzrock, Smoothfunk und sogar eine finnische Popband (von der deutschen Schule in Helsinki) traten an. Ebenso waren auch die Hintergründe der Musiker recht unterschiedlich. Es gab einige sehr frische und junge Projekte, andere spielen schon mehrere Jahre zusammen. Es gab reine Schülerbands, aber auch Bands von frisch angenommenen Musikstudenten (also noch nicht im Studium, denn die Studenten dürfen nicht mitmachen).
Für etwas befremden sorgten so mancher Bandname wie „Gleis 3“, „Butterbrot“ oder „Gorilla Gorilla“. Es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, was wohl ein „Düff“ ist.
Besonders erfreut war ich, dass zufälligerweise unter den Teilnehmern zwei alte Freunde von mir waren. Tja, die deutsche Jazzwelt ist wohl kleiner als man denkt.
Furios wurde die Begegnung durch das Jugendjazzorchester NRW eröffnet. Besonders der Saxophonsatz aus einigen 18jährigen Charlie Parkers beeindruckte sehr. Bei der darauf folgenden Jamsession gab es noch erste Berührungsängste; das könnte aber auch daran liegen, dass die meisten Jungjazzer müde von der Anfahrt waren.
Donnerstags und Freitags fanden die Wertungsspiele vor der Jury statt. Man belauschte und bejubelte sich gegenseitig. Anscheinend hat man für den Ton echte Könner engagiert. Viele waren begeistert von der Kompetenz der Tontechniker und viele meinten, dass sie sich noch nie so wohl fühlten auf der Bühne und noch nie so gut geklungen haben. Zusätzlich wurden die Wertungsspiele professionell vom Deutschlandfunk aufgenommen und liefen so später sogar im Radio.
Abends traten die Bands verteilt in Dortmund jeweils mit einer lokalen Jazzband (oft Teilnehmer aus den letzten Jahren) auf. Leider war die Resonanz der Dortmunder auf dieses Jazzereignis recht mager. Am ersten Abend gab es den traurigen Rekord von 3 Besuchern. Bands mit 12 Besuchern konnten sich glücklich schätzen. So fielen dann leider auch die zwei geplanten Jamsessions aus. So ist das eben im Jazz.
Da hat sich unter den Teilnehmern etwas Frust breit gemacht, außerdem waren alle von dem langen Tag etwas übermüdet (8:30 ist halt für jeden echten Jazzer etwas zu früh, Herr Ortmann). Jedoch wollte man wohl doch nicht ins Bett gehen und so holte man kurzer Hand die Instrumente von den Zimmern und veranstaltete eine spontane Jamsession im Foyer der Jugendherberge. Die Stimmung war sehr heiter und immer wieder kam der Herbergsvater und bat, dass man aufhörte und wir versprachen mehrfach, dass dies nun wirklich letzte Titel sei. Man hörte erst auf, als der Herbergsvater um kurz vor zwei nun wirklich etwas ungehalten wirkte. Das ist eben auch beim Jazz.
(Dennoch ein herzliches Danke für die Toleranz des Herbergsvaters, dass wir es überhaupt so weit treiben durften)
Am nächsten Abend waren alle mit ihren Wertungsspielen durch und man hatte gemeinsam eine Kaffefahrt durch die Industriedenkmäler Dortmunds überstanden und so traf man sich nach den Konzerten im Dormunder Jazzclub Domizil zur Jamsession, die vorschriftsmäßig bis fast 3 Uhr ging.
Am Samstag gab es die Auswertungsgespärche mit der Jury für die Bands. Irgendwie schienen alle Luft zu holen, nach den letzten doch anstrengenden Tagen. Beim Abschlußkonzert bewies die Dozentenband SuperSession Reloaded (eine Revival, eines berüchtigten Projektes aus den 80ern), dass auch „die Alten“ noch etwas drauf haben. Witzigerweise war auch mein Jazzprof. Floran Poser mit dabei, der als bester deutscher Vibraphonist gilt. Am Sax war Klaus Dapper, den viele von seinen Berichten aus dem Magazin „Sonic“ kennen dürften. Als Gesangsfeature war Jeff Cascaro, der als Deutschlands bester Soulsänger gilt (könnte stimmen). Also sehr hochkarätig besetzt. Der fette Sound der „Senioren“ beheizte dann die „Jungen“ im Publikum dazu an, auf den Rängen zu tanzen.
Besonders angetan war ich von der allgemeinen Stimmung; man war gegenseitig an einander interessiert, man schloss neue Freundschaften und machte gute Musik miteinander (was ja nicht immer selbstverständlich in der Jazzszene ist). Das liegt wahrscheinlich am Prinzip von Jugend jazzt. Denn im Gegensatz zu Jugend musiziert, soll Jugend jazzt kein Wettbewerb mit Plätzen sein, sondern eine Begegnung. Es gibt also kein Ranking, kein vergleichender Leistungsdruck und tatsächlich hat jede Formation einen Preis bekommen. Natürlich gab es begehrtere und exklusivere Preise, jedoch entschied die Jury, welche Band was bekommt, je nach dem, was für die Band am sinnvollsten ist. Der Gesammtwert der Preise soll sich auf um die 75.000 Euro belaufen. Schön, dass Jazzmusik, vor allem die junger Musiker, doch noch solche Förderung findet. Die Hauptgewinne waren aber wohl die zwei Studiopreise sowie eine Vorstellung im Magazin „Jazzpodium“.
Ich persönlich halte dieses Prinzip für sympathisch und genial. Dies dürfte für die Musiker und ihrer Kunst mehr bringen, als zu klären, wer denn der beste CharlieParkerNachspieler ist.
Es war eigentlich allen Teilnehmern anzumerken, dass sie diese Musik mit Leidenschaft machen und wer will da wirklich vergleichen, was besser ist. Man hatte wirklich das Gefühl, dass es um das Kennenlernen (neudeutsch: Connections) und der Musik geht.
Eins steht für mich nach dieser Begegnung fest: die nächste Generation Jazzmusiker ist vielversprechend, spannend und auch sympathisch.
Wer hätte z.B. vorher gedacht, dass guter Jazz auch aus Bad Salzungen kommen kann.
Nach der Preisverleihung mit dem obligatorischen Urkundenüberreichen, Politikerreden (die angenehm kurz ausfielen) und Häppchen, trennten sich die Teilnehmer und fuhren wieder in die Heimatbundesländer.
Hier geht es zu einer Liste der teilnehmenden Bands.
Übrigens, Dortmund war auch ganz hübsch, wenn es nicht gerade regnete.
Vielen Dank an den Deutschen Musikrat und Dr. Ortmann für die freundliche Erlaubnis, die Photos verwenden zu dürfen.
Hey, ein prima Bericht – vielen Dank dafür!
Leider ist dieses Ereignis so völlig an mir vorbei gezogen, obwohl ich doch am Rand des Ruhrgebiets wohne. Ich hätte ja auch nicht antreten dürfen, hätte aber doch sehr gerne hier und da zugehört und vielleicht andere Zuhörer mitgebracht.
Gab’s auf deiner Seite auch eine Ankündigung des Termins? Vielleicht wäre das noch eine tolle und zu ergänzende Funktion.
Okay, ich habe den Mini-Eintrag unter Termine gefunden – nun, vielleicht eine Ankündigung mit ein bisschen mehr Tamtam, um den „Wow-Faktor“ eines Events im Vorfeld erahnen zu können. 🙂