It don’t mean a thing if it ain’t got that swing, meinte Duke Ellington. Aber wie bekommt man diesen Swing eigentlich hin. Das scheint allerdings wohl weitenlandes eher noch ein Geheimnis zu sein, wenn man sich diverse Blasorchester oder Hobbybigbands anhört.
Wie oft habe ich schon Glen Millers „In the Mood“ gehört, wo es mehr nach „TataUFF TataUFF Tätäräääähh“ als nach „Scubidi bopdibi du whap“ klang. Vielleicht liegt das ja daran, dass wir unsere preußischen Wurzeln nicht abschütteln können und Jazz einfach nicht im Kulturkreis von „Alte Kameraden“ und „Regimentsgruß“ funktioniert. ODER vielleicht liegt es daran, dass viele noch nie etwas von Jazzphrasierung gehört haben. Wollen wir mal hoffen, dass es wirklich daran liegt und nicht am ersteren.
Einige haben vielleicht schon gehört, dass man „das im Jatz so punktiert“ spielt. Aber selbst das, stimmt so nicht. Genau genommen wird im Swing die erste 8tel mit dem Wert von zwei Triolenachteln und die zweite dementsprechend einer Triolenachtel gespielt, während die Und an die Achtel auf dem Schlag gebunden wird, also die Und angestoßen wird und dort somit auch so die Betonung liegt. Alles klar?
Wahrscheinlich nicht. Ist auch alles leichter als gesagt, denn bei der Jazzphrasierung wird alles umgedreht, wie man es aus der Klassik kennt und gewohnt ist. Ich brauchte damals auch etwas Zeit (eine gefühlte Ewigkeit) bis ich den Dreh raus hatte. Auch bei meinen Schülern stelle ich immer wieder fest, dass sich keiner damit leicht tut. Der Marsch steckt uns wahrscheinlich doch zu tief in den Wurzeln. Daher einmal einfacht halber alles optisch aufgedröselt.
Aber das klingt auch noch nicht nach Jazz. Klar muß man erstmal sehr langsam entzerren. Aber dann klingts oft so: Haaaa TaHaaaa TaHaaaa TaHaaaa.
Dabei sollte eigentlich die Linie auch als Linie erkannt werden und nicht als gestolper. Man sollte also zudem einen großen Bindebogen über die Phrase denken. Der Luftstrom bleibt konstant nur die Zunge schlägt kurz an und gibt so den wichtigen Akzent auf die Und:
HaaDaHaaDaHaaDaHaaDad!
Aber auch das ist nur ein Teil. Wie werden Töne angestoßen, wo liegen Schwerpunkte, Ghostnotes, Dudelzunge, Bends usw. Hier gibt es viele Klischees, Wendungen und Richtlinien vor, die gekannt und beherrscht werden wollen. Wer einmal im Satz einer guten BigBand gespielt hat, weiß das.
Von vielen oft nicht beachtet, das Ende einer Note. Auch hier liegt eine rhythmische Information vor.
Aber alles das, steht im Notentext nicht drinne, da stehen meist nur irgendwelche 8tel Ketten.
Woher soll man das dann alles wissen? Tja, früher haben genau deshalb die Leute massig Soli rausgehört. Nicht in erster Linie für Gehörschulung, Licks zu Kopieren oder das Solo nachspielen zu können. Nein es ging um das ganz genaue hinhören und lernen wie was gespielt wird. Das ist didaktisch sehr lohnend aber auch sehr mühselig.
Aber Gott sei Dank gibt es inzwischen sehr gute Literatur zum erlernen einer ordentlichen Jazzphrasierung.
Der Klassiker sind die Jazzetüden von Lennie Niehaus. Die sind schon etwas älter und ursprünglich ohne BegleitCD konzipiert worden. Das ist auch der Grund, warum die Etüden so gut klingen. Später wurde dann doch eine sehr wohlklingende CD dazu aufgenommen. Leider hat man es versäumt in den Noten noch die Changes nachzutragen, weshalb man leider nicht selber drüber improvisieren kann (es sei denn man härt sich mühselig die Changes selber raus)
Auch sehr gut und etwas moderner sollen die „Jazz Conception“ Hefte von Jim Snidero sein. Selber habe ich mit denen noch nicht gearbeitet (nur mal reingeschaut, aber vielleicht kann ja ein Leser als Kommentar mehr dazu sagen).
Wer einen etwas rhythmischeren Ansatz sucht, für den könnte „reading jazz key rhythms “ von Fred Lipsius sehr interessant sein. Hier werden Jazzphrasen von ihrem rhythmischen Grundmustern her aufgedröselt, was für Menschen, die ein chronisch schlechtes Timing haben oder nicht schnell genug Rhythmen lesen können, genial ist.
Für diejenigen, die es etwas funkier und more contemporary brauchen, sollten mal in die „Jazz&Funk Etudes“ von Bob Mintzer reinschauen. Sehr interessant und anspruchsvoll, aber auch sehr speziell. Ein wirklich didaktische Einführung ist das nicht, sondern eher weiterführende Studien.
Aber mein aktueller Favorit, den ich mit Erfolg auch mit allen meinen Schülern machen, sind die Jazz Etüden von Greg Fishman. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, zu zeigen, warum die Dinger so toll sind, denn er scheint alles richtig gemacht zu haben.
Was man merkt, dass Greg 1000 Jazzsolos rausgehört und analysiert haben muß. Denn seine Etüden sind stilsicher und bedienen die wichtigen Klischees die man unbedingt können muß. Sie sind zeitgemäß (aktueller NY-Bop), machen Spaß, die Playalongs klingen echt top und das Saxophon ist toll eingespielt (was leider keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man in die CDs der massenweise raus gebrachten Heftchen à la „romantic pop easy Kitsch Jazz Balladen für Saxophon“ reinhört). Genial ist auch, dass für Alt und Tenor nicht – wie sonst üblich – das gleiche Playalong und unterschiedliche Noten verwendet wird. Die Folge daraus ist, dass sich immer für ein Horn, die Etüden sich in den Fingern nicht „richtig anfühlen“. Bei Fishman gibt es immer zwei CDs, eine für Alt und eine für Tenor. So müssen Saxophonisten die sowohl Alt UND Tenor (solche Menschen soll es ja geben, die nicht nur ein Saxophon spielen) sich nicht zwei Hefte kaufen.
Die Aufmachung ist auch sehr gut. Gut lesbarer Notentext und wie es sich für Jazzstandarts gehört 4 Takte pro Zeile.
Es ist alles didaktisch durchdacht. Es macht Sinn die Melodie funktionsharmonisch zu analysieren. Das weckt ein tieferes Verständnis. Und natürlich eigenen sich die Tracks auch fantastisch zum selber drüber improvisieren.
Aber man sollte aufpassen, was man bestellt, denn Band 1 richtet sich eher angehende Jazzstudenten. Sogar Profis haben hier gutes Übungsmaterial. Das Niveau hängt also recht hoch. Auch die Duette, die sehr viel Spaß machen, haben es aufgrund des Tempos in sich.
Für „nur“ etwas fortgeschrittenere Spieler eignet sich Band 3 sehr gut. Anfänger sollten sich „Jazzphrasing for Beginners“ holen.
Der neuste Clou von Greg ist sein Heft „Hip Licks“, welches eine vielseitig verwendbare Licksammlung ist. Aber dafür lohnt sich ein extra Text, der demnächst hier kommen wird.
Leider führen die Fishmanetüden hierzulande nur wenige Notenhändler, weshalb die leider meist selber importiert werden müssen. Was natürlich mehr Wartezeit und Porto kostet. Aber es lohnt sich.
http://www.gregfishmanjazzstudios.com/
Dudelzunge will ich auch können. Wie geht das denn?
Uff, das kommt mit der Zeit automatisch beim schnellen spielen. Denn diese Jazzphrasierung sollte so nicht sklavisch verstanden werden. Im schnellen Tempo würde es furchtbar klingen, wenn jeden Ton so scharf anstößt, also verwischt das etwas mehr. So dass die meisten Unds nur so halb angestoßen werden aber die wichtigen Töne doch noch ihren Akzent bekommen.
Achso, dann kann ich das besser, als mir lieb ist:-)
Den Begriff kannte ich nur noch nicht, klingt aber sehr lustig.
sehr guter artikel !
das mit dem raushören von changes ist aber absicht bei der nachproduktion der niehaus cd. kennt man halt hier nicht, us- didaktik … und nicht jeder erwischt ne gute uni … 😀
Auch nach 2 Jahren bin ich sicherlich den Anfängern zuzurechnen. Und ich kann die Empfehlung bezüglich „Jazzphrasing for Beginners“ aus eigener Erfahrung unterstützen. Die machen Spass zu üben, bringen unterschiedliche Jazz-Richtungen, und es hört sich trotz „Beginners“ nach Jazz an. Da bin ich von anderen Sammlungen renommierter deutscher Jazz-Lehrer eher enttäuscht. Von Niehaus gibt aus auch andere Übungen, die bestimmt auch gut sind, aber manchmal (ohne CD), was die Betonung anbelangt, nicht so einfach aufzuschlüsseln sind.
Gute Empfehlungen Tobias,
Gerhard
Die Jazz Conceptions vom Jim Snidero kann ich empfehlen. Ausgehend vom jeweiligen Level werden mehr oder weniger Phrasierungszeichen angegeben. Die zugehörige Cd ist ganz ordentlich. Zu den Titeln sei gesagt, dass es sich hierbei vor allem um vom Hrn. Snidero umgestaltete Standards handelt. Dies hat den Vorteil, dass man, wenn man das Stück erkennt oder wenn jmd. anders es einem verrät ;), auch die Originale mitspielen kann.
Hallo Tobias
Schade das es keine Workshops zu beginn des Jahres gibt.
Ich wohne im Umkreis von Bremen.
Fahre demnächst bis nach Österreich für einen Workshop, den einzigen im Januar den ich gefunden habe.
Falls du für Workshops anmailst bitte
Tschüß
Gaby
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Hallo Tobias,
ich wollte mir aufgrund deiner guten Rezension das Jazz Phrasing Heft holen.
Du schreibst, dass Band 3 eher fuer fortgeschrittene Spieler und Band 1 besser fuer Studenten geeignet ist.
Auf den Heften von Greg Fishman stehts jedoch umgekehrt:
Band 1: Beginning Intermediate Level
Band 2: Beginning Intermediate Level
Band 3: Intermediate Level
Weisst du, ob dies geaendert wurde, und welches Heft sollte ich mir als Nicht-BlutigerAnfaenger – aber auch nicht angehender Student – holen?
Gruss
Johannes
Kein Plan, ich mache nur eine Review zu dem Zeitpunkt bei dem ich es getestet habe. Ich vertreibe das Zeug nicht.
Hallo, vielen Dank für die tollen Tipps und die tolle Seite! Da ich schon seit Jahrzehnten Jazz spiele (erst Bass, dann Klavier) und erst vor 2 Jahren mit Sax angefangen habe finde ich das Heraushören der Harmonien bei Niehaus nicht schwierig. Band 1 habe ich mit meine Lehrer durch, Band 2 scheint harmonisch nicht anspruchsvoller zu sein. Selbst wenn man sich die Mühe macht, das herauszuschreiben, dürfte man es vermutlich nicht veröffentlichen oder verteilen?
Viele Grüße
ich glaube, das teilen von akkordchanges düfte keinen stören, da die ja auch auf diversen Jazzstandards basieren…