Musikmesse 2017 – ein Abgesang???

Nach einem ZIEMLICH langen Marsch vom Haupteingang zur Woodwind Area bekam ich den ersten Schock: „ist das alles???“
Was da so in der letzten Halle hinter dem Schallschutzvorhang noch an Ständen für Holz- und Blechblasinstrumente noch übrig war, ist vielleicht noch 30% von dem, was vor drei/vier Jahren noch da war. Vor dem Vorhang waren Noten und diverse leisere Akustikinstrumente. Was früher in 3 Hallen war, ist jetzt in einer in einer zusammengepfercht.
Ein Gutes hatte es allerdings: der allgemeine Lautstärkepegel war dieses Jahr fast angenehm.
Naja, also etwas angenehmer, was aber auch noch nicht wirklich angenehm ist…

Soweit ich mitbekommen habe, waren die Besucherzahlen auch geringer als letztes Jahr, jedoch waren die Aussteller im Woodwind noch geringer, dass die, die da waren, deutlich mehr Andrang hatten. Zumindest ging es uns so bei Forestone, weshalb ich selber kaum dazu kam, neue Sachen anzuspielen. Daher gibt es teilweise nur ein kleines Hands On.

Aodyo Sylphyo
Seit einiger Zeit will ich eigentlich schon einen elektronischen Blaswandler bzw. Midikontroler für Bläser. Leider kam ich beim ersten anspielen mit EWI so gar nicht zu recht (ein vollkommen anderes Instrument, dass man neu erlernen muß). Eigentlich wollte ich auf der Messe das Synthiesaxophon Aerophon 10 von Roland testen, aber die waren leider gar nicht da.
Dafür bin ich auf das Sylphyo der französischen Firma Aodyo gestoßen.
Das Design ist schlicht und elegant, ein kleines kompaktes Gerät.
Mein erstes HandsOn hat sofort Spaß gemacht.
Die Haptik des Sylphyo war angenehm, alle Knöpfe (beziehungsweise eher Tastsensoren) lagen logisch. 6 Oktavknöpfe für den linken Daumen, vorne fast wie bei der Blockflöte aber mit Gisknopf für den linken kleinen Finger. Besonders clever fand ich, dass dieser jeden Ton chromatisch erhöht. Das fand ich echt intuitiv.
Ansonsten kann man Blockflötengriffe nutzen, aber natürlich ist das auch elektronisch customizable.
Wie es bei einem elektronischen Blaswandler üblich ist, wird Attack und Dynamik über den Lufstrom gesteuert. Den Blaswiderstand kann man durch verschiedene Filter unten am Instrument verändern, aber man hatte wohl bei der Entwicklung wohl eher Flötisten als Saxophonisten im Kopf gehabt, denn als mein Kollege mal ordentlich Gas gab, hat er den Filter einfach raus gepustet.
Für Tonbends nach oben, kann man den Finger am Sensor etwas zur Seite ziehen, für Bends nach unten gibt es einen Sensor am rechten Daumen.
Für ein Vibrato legt man das Gerät schräg?
Jupp, das Ding hat auch noch einen Bewegungssensor. Mit dem könnte man ganz auf’s Blasen verzichten, aber da bin ich dann nicht mehr ganz durchgestiegen beim ersten Test.
Es gibt natürlich ein Menü mit clveren Tastenkombinationen, aber das hat mich jetzt beim ersten Anspielen nicht wirklich interessiert, ich wollte einfach nur wissen, ob ich darauf spielen kann. Jupp, das ging irgndwie (mit technischer Hilfe vom Entwickler) und wir hatten Spaß. Hier ein Video von den ersten Versuchen meines Kollegen Martin Breternitz.

Wie gut das Gerät nun wirklich ist, wie leicht es sich bedienen lässt, was man alles damit machen kann und was nicht, das würde nur ein ausführlicher Langzeittest zeigen. Die ersten Berührungen haben dazu zumindest Lust gemacht, dass hatte ich beim Ewi nicht. Aber es ist definitiv ein neues Instrument, dass Eingewöhnungszeit und Übung braucht. Für Saxophonisten könnte daher das Roland näher sein. Aber es ist auch eine Frage von dem was man braucht. Das Sylphyo ist deutlich handlicher und besitzt eine wireless Verbindung über Bluetooth. Nur der Instrumentenname hätte etwas einfacher sein können.
Von daher glaube ich, dass dieses Gerät seine Spieler finden wird und ich hoffe, dass ich mal so ein Teil für länger in die Finger bekomme.
https://www.aodyo.com/

Fiberreed
Harry Hartmann geht neue Wege in der Blattentwicklung. Das neue FiberCarbon Reed ist nun ein homogenes Material (wohl entstanden aus seiner Forschung mit dem Fiberrood Material für die Theo Wanne Mundstücke), welches er gegossen hat.
Allerdings waren die Blätter auf der Messe größtenteils noch eher Prototypen von denen ich ein paar verschiedene anspielen konnte, die ich sehr vielversprechend fand. Das Material verspricht einen guten Klang und angenehme Performance.
So wie ich Harry verstanden habe, wird die Produktion in Form von Maschinen und Material demnächst umgestellt werden, so dass wir wohl demnächst mit dem fertigen FiberCarbon Reeds rechnen dürfen. Für diejenigen, die auf die älteren Blätter von Harry stehen ist es vielleicht eine gute Idee, sich demnächst einzudecken, denn ich bezweifle, dass Fiberreed in Zukunft 7 oder 8 verschiedene Blätter pro Instrument anbieten wird.
Es tut sich also was im Synthetikblättermarkt.
Ganz fasziniert war ich allerdings dann davon, was Harry dann aus seiner Tasche zauberte. Der Prototyp eines Synthetikblattes mit eingebautem Tonabnehmer. Ich bin gespannt, was ein ausgereiftes Produkt im nächsten Jahr können wird.
https://fiberreed.de/

Forestone
Von den neuen White Bamboo und dem Strap habe ich hier ja schon berichtet und wie ich es geahnt habe, war das White Bamboo das beliebteste Blatt bei den Kunden.
Aber ich konnte auch die neuen GX Saxophone etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Eigentlich sind sie baugleich zu der Pro Linie bis auf die Wandstärke, die nur 0,7mm hat und nicht 0,8. Dadurch hat die GX eine leichtere und offere Ansprache und anderen Sound.
Der große Unterschied, der auch den Haupt Preisunterschied ausmacht, ist, dass die GX Made in Taiwan und nicht Made in Japan ist. Die Pro Linie wird in Japan nochmal komplett zerlegt und komplett überarbeitet von dem Meister Atsushi Watanabe.
Bei der GX stand er nur noch beratend zur Seite für die Fabrik in Taiwan. Daher kann man die GX Linie auch recht leicht Qualitativ leicht bei den besseren Taiwanesen wie zum Beispiel P.Mauriat verorten.
Allerdings gab es auf der Messe, ein paar Profis, denen der Klang und Ansprache der GX Serie besser gefallen haben. Somit führt Forestone nicht nur eine deutlich günstigere Linie als ihre Pro Line ein sondern bietet weitere Soundvarianten. Und das auch nochmal, da die GX in diversen neuen Finishes angeboten wird. Welche dann auch in welchen Regionen vertrieben wird hängt dann von den lokalen Zwischenhändlern, denn nicht jedes Finish kommt in jedem Land gleich gut an.
Der internationale Retailpreis liegt je nach Finish bei um die 2400$. Wahrscheinlich werden die Ladenpreise dann etwas geringer sein.
http://forestone-japan.com/

Morgan Fry
Leider habe ich es nicht geschafft wirklich ein Mundstück bei Morgan anzuspielen, aber ich kenne seine Arbeit schon und weiß, dass er ein mehr als fähiger Mundstückschnitzer ist. Er ist dieses Jahr nun zum ersten mal auf der Musikmesse gewesen. Ich nehme daher mal an, dass wir jetzt in nächster Zeit mehr von ihm hören werden.
Die Rail mit der Blattschraube erinnert natürlich sehr an die alten Lawton Mundstücke und der photographierte Meyerklon sieht schon sehr cool aus.
https://morganfrymouthpieces.com/

Silverstein
Silverstein ist eine Luxusmarke. Daran muß sich die Holzblasszene vielleicht noch erst gewöhnen, dass dieses Extra an Design, Bling und Service halt auch extra kosten wird.
Ihre erste Blattschraube habe ich vor ca 2 Jahren getestet. Inzwischen hat sich da viel getan, neue Modelle, vergoldet, cryobehandlung, mit Kristall besetzt….
…aber sie klingt auch sehr gut, weshalb man sie bei vielen Profis immer öfter sieht.
Letztes Jahr haben sie ein Saxophonsanatizer vorgestellt, was ich persönlich (oder wohl auch einige andere) eher belächelt haben.
Das neuste Gadget ist „Reedcure“, eine Hightechreedbox, die die Blätter mit Ozongas und UV-Licht bestraht, sobald man den Deckel schließt, was sowohl die Blätter revitalisieren soll (indem es die Faserausrichtung wieder korrigiert, so ganz genau habe habe ich es nicht verstanden, wie das funktionieren soll) als auch desinfizieren, was ich für sehr sinnvoll halte. Schade, dass es für als Kunststoffblattspieler nicht wirklich ist, es ist auf jeden Fall eine faszinierende technische Spielerei für 125€.
Silverstein produziert nun auch Blätter, Altar Reeds. Leider habe ich vergessen wo, das Holz geerntet wird, aber sie werden wohl in Deutschland hergestellt. Für beides habe ich eine Vermutung wo, aber Gerüchte möchte ich hier nicht verbreiten.
Das besondere ist eine Umtauschgarantie für schlechte Blätter!!! Wie bitte? Man kann tatsächlich innerhalb von 14Tagen nach Kauf schlechte Blätter zurück schicken und man bekommt dafür ersatz. Die Verpackung (mit das edelste, was ich auf dem Markt kenne und komplett ohne Plastik für die Umwelt) ist extra so designt, dass man sie als festen Rückumschlag verwenden kann. Dafür kosten 10 Blätter auch 45€, aber wenn dann jedes geht, ist das gar nicht so schlecht. Leider bisher nur für Klarinette. Ich bin gespannt, wie das in Zukunft angenommen wird, wenn die Blätter für alle Instrumente zur Verfügung stehen.
Zuletzt ein praktisches Gimmik, das mit 15€ erschwinglich ist, eine elastische Mundstückkappe. Das braucht man vor allem, wenn man eine Blattschraube hat, wo sonst keine Kappen drüber passen. Also bei ca. 75% aller besseren Ligatures auf dem Markt. Und eine Größe passt auf alle Instrumente.
Vorne hat sie eine kleines Luftpolster, dass das Blatt nicht an das Mundstück gepresst wird. Ich glaube, ich hätte mir das Polster etwas größer gewünscht, da ich doch eine kleine Biegung bei meinen Blättern festgestellt habe, nachdem ich sie mal zwei Tage im Koffer zusammen gelassen habe (was man ja eh nicht tun soll).
Silverstein ist aktuell eine der spannendstenen im Woodwindbereich und ich bin schon gespannt, was sie nächste Messe präsentieren.
https://www.silversteinworks.com/

Theo Wanne
Über die neusten Mundstücke habe ich im letzten Artikel schon berichtet, aber Theo hatte an seinem Stand noch eine andere Neuigkeit stehen. Sein Mantra Sopran! Vor drei Jahren hat er schon ein Tenor heraus gebracht, dass vor innovativen Features nur so strotzte. Sehr fetter Sound, allerdings aufgrund der ganzen Extrabauteile auch ein sehr schweres Horn.
Viele der Features sind auch auf das Sopran übertragen worden, wie die dreifache Öse für die persönlich perfekte Gewichtsverlagerung, die Einstellschrauben für alle Klappenaufgänge oder die aufgerauten Innenwände.
Auch designtechnisch ein sehr hübsches modernes Horn. Als Gravur sieht man Guanyin, die Göttin bzw weibliche Bodhisattva des Mitgefühls. Theo hat einen Sense für Indische und Chinesische Philosophie und überträgt das gerne auf seine Produkte.
Das Sopran gibt es zwar auch in Curved und im Platinfinish, aber in Frankfurt stand die unlackierte gerade Version. Ich ärgere mich bei dem Teil wirklich, dass ich es nicht mehr geschafft habe, dies anzuspielen, denn unlackierte Sopransaxophone mit etwas mehr Masse sind eigentlich genau nach meinem Geschmack.
http://theowanne.com/

Yamaha Venova
Als ich zum ersten mal von der Venova gelesen habe war es der 1.4. und ich hielt es für einen Aprilscherz. Tja, das Ding ist echt und war auf der Messe anspielbar.
Ich bin mir persönlich noch gar nicht sicher, was ich davon halten soll. Im Prinzip ist es ein zylindrisches Sopransaxophon aus Plastik, dessen Rohr so gebogen und gekrümmt wurde, dass man die Finger bequem auf die Löcher legen kann. (siehe dieses Video)
Ich nehme mal an, dass das extra Rohr oben am Instrument etwas damit zu tun hat, dass in einer Oktave überbläst.
Bestückt wird es einfach mit einem Sopranmundstück. Interessant ist, dass Yamaha ein eigenes Kunststoffblatt daran hat. (welches mich jetzt allerdings nicht so überzeugt hat)
Es ist sehr handlich und sieht extrem stylisch aus, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher über einen echten Verwendungszweck. Ich bezweifle, dass ich es zum Beispiel mit an den Strand nehme, wie dieses Video vorschlägt. Aber wer weiß, vielleicht nimmt man es doch überall mit, da es ja ohne Probleme in jede Tasche passt. Man weiß ja nie, wann sich spontan eine Session ergibt.
Das erste HandsOn zeigte, dass es doch recht einstiegsfreundlich ist. Einfach Blockflötengriffe plus einige kleine Ergänzungen wie Eb, C# oder eine Oktavklappe machen es noch einfacher bzw. saxophonähnlicher. (Ja, der Satz ist so Absicht)
Einzig die ganz höhen Töne (h“ und c“‘) wollten nicht sofort kommen und an die Intonation mußte ich mich auch kurz gewöhnen.
Klanglich darf man nicht zu viel erwarten, es ist halt ein einfaches Plastikrohr. Es ist wohl halt eher ein Gaginstrument bzw. Spielzeug oder halt für Kinder als Schritt zwischen Blockflöte und Saxophon. Denn irgendwie „bockt“ das (oder die) Venova deutlich mehr als eine einfach Flöte. Allerdings liegt dieses „Toy“ halt auch schon bei um die 100€, ist dafür aber sehr hochwertig verarbeitet.
Wie gesagt, ich bin etwas unentschlossen, aber mein Bauch sagt „Will ich haben“ und sicher werde ich versuchen an eines für einen ausführlicheren Test ran zu kommen.
https://de.yamaha.com/de/news_events/2017/venova.html

Fazit
Also das war es von der Musik Messe 2017. Für uns am Forestonestand war sie recht erfolgreich und man hat viele Bekannte und Freunde wieder getroffen. Aber ansonsten war es doch eher ein maues Gefühl, da halt viele auch fehlten.
Es ist schade, dass die Messe so schrumpft. Aber eine teure Fachmesse nur für Händler und Hersteller wird im Zeitalter der leichten Kommunikation im Internet halt zunehmend überflüssiger und so lange es keine echte Endkundenmesse ist – also der Besucher auch offiziell da einkaufen darf – wird das auch mit den Besucher- und Ausstellerzahlen nicht besser. Denn für viele stellt sich die Frage noch deutlicher als nach dem letzten Jahr, ob sich nächstes Jahr noch lohnt.

3 Gedanken zu „Musikmesse 2017 – ein Abgesang???

  1. Tja,was soll man da sagen? Es wird immer dünner um die Musikmesse und es ist wohl wirklich fraglich,wie lange sie sich noch halten wird?
    Es wäre wirklich toll,wenn es auch die Möglichkeit gäbe ein Instrument dort direkt zu kaufen! Ich denke,das würde die Hersteller sowie die Musiker sehr freuen!!!
    Ja,der Stand von Forestone war wirklich stark besucht und ich habe mir auch ein White Bamboo mitgenommen,ein echt tolles Blatt!
    Ich wünsche mir für die zukünftigen Musikmessen wieder mehr Aussteller und die Möglichkeit direkt vor Ort einkaufen zu können!
    Ansonsten geniese ich es doch iregndwie jedes Jahr aufs neue und freue mich darauf!

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