Ein Plädoyer für Saxophonuntericht

Ich weiß jetzt schon, dass vielen was ich hier schreibe etwas aufstoßen wird. In meiner Forumszeit war ich an einigen hitzigen Diskussionen beteiligt und auch aktuell wird immer mal wieder darüber gestritten. Ich möchte nun einmal dafür plädieren, dass man dem Lehrer doch mal eine Chance gibt, da es meiner Ansicht nach einige Gründe dafür gibt aber eigentlich keinen dagegen. Hier handelt sich nur um meine persönliche Meinung, die allerdings auf so manchen eigenen Erfahrungen (sowohl viele über die Internetforen als aber auch im echten Leben in den Hobbyorchestern) beruht.

Naja, zuerst ist einmal die Frage, was man eigentlich möchte. Wem es reicht, O-Tannebaum unter dem Weihnachtsbaum zu dudeln; das kann sich wirklich jeder selber beibringen. Wer allerdings wirklich Musik machen möchte, also mit anderen Spielern musizieren möchte, sich auf die Bühne stellen möchte um vor Publikum aufzutreten, da kann ich nicht verstehen, warum man meint auf einem Lehrer ohne weiteres verzichten zu können.

Ich will nicht sagen, dass es keine guten Spieler gibt, die sich das Saxophon selber beigebracht haben, aber die Mehrheit der Autodidakten klingen leider aber auch danach. Dafür gibt es aber auch Gründe, aber dazu später mehr, wenn ich über die Argumente für und gegen den Unterricht rede.

 

Ich weiß nicht, wo der Irrglaube her kommt, dass das Saxophon ein sehr leicht zu spielendes Instrument sei und man es sich problemlos selber beibringen könnte. Es kommt ja auch keiner auf die Idee, sich Geige ganz alleine beibringen zu wollen. Also warum sollte das beim Sax so gehen? Und wie kommt man zum Schluß, dass Unterricht nur Zeit und Geldverschwendung ist und man selbst darauf nicht angewiesen sind, wenn doch die meisten anderen es für nötig halten und hingehen? Zwar mögen die Griffe recht überschaubar sein, und schnell erzielt man erste Erfolge, aber der Schein, dass deshalb das Instrument leicht ist, trügt. Das ungewöhnliche bei Blasinstrumenten ist, dass man den Ton selber erzeugt und gerade beim Saxophon ist der persönliche Sound entscheidend. Die Ausbildung dessen dauert Jahre. „Nur“ Seite zupfen oder Taste anschlagen reichen hier nicht aus. Zudem ist das Saxophon intonatorisch ein recht zickiges Instrument.
Desweiteren ist das Saxophon ein Jazzinstrument, also ist die Improvisation sehr wichtig. Ich meine gerade für die Entwicklung einer guten Improvisation ist ein zweites paar Ohren und eine zweite Meinung, sowie Ideengeber und Anleitung mehr als nur hilfreich.

 

Zunächst möchte ich über die Gründe reden, die gegen den Unterricht sprechen. Oft wird gemeint, dass Unterricht zu teuer ist. Man muß ja nicht unbedingt wöchentlich Unterricht nehmen. Es gibt zahlreiche Lehrer die privat unterrichten, bei denen man also auch Einzelstunde nehmen kann und nur ein oder zweimal im Monat Unterricht nimmt. Wem dann ein ausgebildeter Lehrer immer noch zu teuer ist, kann sich ja nach einem Saxophonstudenten oder fortgeschrittenen Schüler umschauen. Die wissen oft auch schon sehr viel und können einem das eine oder andere zeigen. Außerdem, wer sich ein Instrument für über 1500 Euro zulegt, der kann auch im Monat 20 Euro für einmal Unterricht abzwacken. Wird sich auf Dauer garantiert mehr bezahlt machen, als das Upgrade zu einem Selmer. Eine weitere kostengünstige Alternative ist Gruppenunterricht.

Ein anderes oft gelesenes Argument: man hat keine Zeit noch einen Lehrer aufzusuchen. Wer im Monat keine zwei Stunden für Unterricht abzwacken kann, der wird auch keine Zeit haben, sich ein Instrument selber beizubringen. Wenn das autodidaktisches Erlernen eines Instrumentes eines ist, dann ist es zeitaufwendiger.

Zuletzt hört man auch immer wieder, dass es einfach keinen Saxophonlehrer in der Gegend gibt. Das finde ich immer sehr verwunderlich, da mir als Saxophonist auffällt, dass es diese (also meine Konkurrenz) halbwegs qualifiziert wie Sand am Meer gibt. Wer allerdings im abgelegensten Dorf lebt, könnte in der Tat Probleme damit haben, aber solche Dörflinge sind es gewohnt für verschiedene Besorgungen in die nächste größere Stadt fahren zu müssen, das könnte man geschickt mit einem Besuch bei einem Lehrer verbinden.

 

Also woran liegt es, dass sich einige anscheinend etwas dagegen sträuben, Unterricht zu nehmen. Ich habe da einige Vermutungen, wobei diese selten wirklich nett klingen, wenn man diese ausspricht. Aber allgemein denke ich, dass viele nicht wirklich Kritik hören wollen oder ihnen bewußt gemacht wird, wo sie wirklich stehen. Ich meine auch, dass einige sogar eine gewisse Angst haben, dass ihnen gesagt wird, dass sie bisher etwas grundlegend falsch gemacht haben.
Erst neulich ist mir so eine Situation in einem Forum unter die Augen gekommen. Ein Anfänger (2Monate Autodidakt) hat eine Probestunde bei einem echtem Lehrer, kommt zurück und beschwert sich, dass der Lehrer ihm sagt, dass sein Ansatz falsch sei, obwohl er sich diesen aus mehreren Büchern selber so beigebracht hat. Prompt springen viele andere Forumsmitglieder (die meisten davon auch Autodidakten) dazu und meinen alle, dass der Lehrer total schlecht ist und keine Ahnung haben, obwohl keiner ihn kennt.

 

Aber gerade das macht meiner Meinung nach einen guten Lehrer aus; dass er ehrlich und offen sagt was falsch ist und sofort mit einem Tipp aufwarten kann, wie man es richtig macht. Keiner hört gerne Kritik und nicht jeder ist wirklich kritikfähig, aber wer konstruktive kompetente Kritik zu Nutzen weiß, wird schnell Fortschritte machen können.

Ich bezahle meinen Lehrer nicht dafür, dass er kontrolliert, dass ich meine Hausaufgaben gemacht und fleißig geübt habe oder das er mich motiviert. Das gilt vielleicht so für das Unterrichten von Kindern aber Erwachsene müssen selber wissen, wie sie vorankommen können und woher sie ihre Motivation ziehen. Klar ist es schön, wenn der Unterricht einem Spaß macht, aber wichtiger ist mir zumindest, dass er produktiv ist.

Der Lehrer ist dazu da, das gespiele anzuhören, zu bewerten und zu zeigen, wie es besser geht. Selbst wenn ich gar nichts vorbereitet habe, lerne ich bei meinem Lehrer immer sehr viel, manchmal sogar mehr, als wenn wir etwas vorbereitetes durchkauen. Dann wird halt irgendein Standard behandelt, spielen und reden ein wenig über das Thema und gehen dann zur Improvisation.

Manche haben auch sehr „grätchenhafte“ Vorstellungen, was ein guter Saxlehrer machen sollte. Er sollte fragen, was jemand spielen möchte und mit einem nur Sachen machen, die einem Spaß machen. Auch das sehe ich ein wenig anders. Klar, sollte der Lehrer auch auf die Wünsche des Schülers eingehen, aber es gehört auch dazu, dass er den Schüler bestmöglich ausbildet. Dazu gehört das triezen zu Tonleitern, Longtones, Intonationsübungen, Etüden und anderen unliebsamen Kram, der zwar oft sehr langweilig ist dafür aber didaktisch sehr wertvoll und viel für die Entwicklung bringen.

In meinem Fall möchte ich auch ein kompletter Saxophonist werden, dazu gehört dann auch, dass ich Popschnulzen spielen kann und dazu hat mich mein Lehrer auch schon mal durch Kenny G oder anderen Popkitsch gequält. Genauso hat er mich durch ein Duke Ellington Playalong durchgeschleppt, damit ich endlich eine authentische Swing/Jazzphrasierung und Stilistik entwickle.

Also kurz, Unterricht bietet eine professionell angeleitete Entwicklung, welche schneller, produktiver, problemorientierter, zielgerichteter und vielseitiger ist als wenn man nur alleine zuhause zu seinem Lieblingsplayalongs spielt.

 

Das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer sollte natürlich schon passen und natürlich sollte die Stilistik des Lehrers auch einem gefallen, denn der Lehrer ist auch immer ein erheblicher Einfluss.

Einige haben auch Angst, dass sie an einen schlechten Lehrer geraten. Klar gibt es bessere und schlechtere, aber selbst ein nicht so guter, dürfte zumindest am Anfang einen noch sehr viel zeigen können. Und so viele Nieten, wie es manchmal in den Foren wirkt, gibt es nun doch nicht. Jemand, der ein Diplom in der Tasche hat oder sich sonst mit seiner Musik über Wasser hält, wird schon etwas können.

Außerdem sind Lehrer auch nur Menschen. Man kann nicht erwarten, dass er alles weiß und perfekt ist. Und wer ganz tollen Unterricht haben möchte, der kann auch an die Hochschule gehen und teuren Privatunterricht bei den Saxophonprofessor nehmen.
Vor allem gerade am Anfang ist ein Saxlehrer mehr als ratsam. Es gibt sehr viel, was man sich leicht falsch aneigenen kann, was sich dann später rächt und man sich nur sehr schwer wieder abgewöhnen kann; Ansatz, Luftführung, Fingertechnik usw.

Ein Anfanger kann gar nicht wissen, was da alles wichtig ist. Man kann so sichergehen, dass man seine spätere musikalische Entwicklung auf einem gutem Fundament aufbaut.

 

Wer dann irgendwann erkennt, dass sein Lehrer doch nicht so gut ist, oder man keine Fortschritte mehr macht, weil man schon zu lange bei dem Lehrer Unterricht hatte, kann man immer noch wechseln. Manchmal ist das sogar sehr gut, da mehrere verschiedene Einflüsse einen doch sehr bereichern können.

 

Klar, brauch man nicht ewig Unterricht nehmen und kann irgendwann auf eigenen Füßen stehen. Aber persönlich bringt mich mein Unterricht immer noch voran und ich merke meine kontinuierlichen Fortschritte. Diese Effizienz ist für mich Grund genug, warum ich gar nicht daran denke damit aufzuhören. Während meiner Wehrdienstzeit und meinen ersten Studienjahren hatte ich leider gar keinen Unterricht. Dort stagnierte ich mit meiner Entwicklung und machte vielleicht sogar ein paar Rückschritte, da ich nicht täglich gefordert wurde.

 

Natürlich gibt es Ausnahmen die sich sehr wohl das Saxophon selber beibringen können. Gerade wenn man schon Musiker ist (und im optimalsten Fall von einem anderem Blasinstrument kommt) hat man gute Chancen auf ein gutes Ergebnis. Musikalisches Verständnis, Wissen und Technik sind schon vorhanden. Aber noch wichtiger, es wird schon eine richtige Arbeitsmethode beherrscht. Man weiß, worauf es ankommt und hat selbstkritisch genug zu sein.

Da reicht es schon für den letzten Schliff, wenn einem ein Saxophonkollege mal auf die Finger schaut.

Wenn jemand genug Talent, Ehrgeiz und Zeit hat, sowie selbstkritisch genug ist, dann kann sich auch ein Musikneuling das Saxophon selber beibringen jedoch würde er mit Unterricht dann vielleicht doppelt so schnell vorankommen und nicht die Gefahr laufen und sich irgendwechleche Fehler aneignen.

 

Außerdem hatten selbst die ganz großen Jazzlegenden Unterricht in ihren jungen Jahren Unterricht. Miles Davis war Sohn eines Zahnarztes, hatte normalen Trompetenunterricht, hat sogar in New York angefangen dort zu studieren und bekam dann seine „letzten Jazzlehrjahre“ im Charlie Parker Quintett.

 

Ich will hier jetzt keinem, der sich das Saxophon selber beigebracht hat oder noch will, seine Mühen und Arbeit schlecht reden, sondern ich will dazu ermutigen, es vielleicht doch mal mit einem Lehrer zu versuchen. Ich will auch nicht sagen, dass sich das Saxophon selber beizubringen unmöglich ist (ich kenne ein paar gute Ausnahmen), aber ich bin persönlich überzeugt, dass Unterricht einfach produktiver und effizienter ist und zudem gerade am Anfang schlechte Angewohnheiten verhindern kann.
Wie ich nun recht ausführlich (und wahrscheinlich zu ausschweifend) erklärt habe, gibt es für mich eigentlich keinen vernünftigen Grund gegen aber viele Gute für Unterricht.