Im intimen Kreis mit Jerry Bergonzi

Über den Anfang des Konzertes kann ich nichts sagen, da ich mal wieder zu spät gekommen bin (wie üblich). Ich schlich mich also rein, gesellte mich zu einem Kommilitonen und fragte ob ich was verpasst hätte. Er drehte sich um „Ohhh, jaaa“.
Wahrscheinlich hatte er recht, denn der Rest des Konzertes war einfach beeindruckend.

Obwohl Jerry Bergonzi eine sehr große Nummer unter den aktuellen Jazzsaxophonisten ist, muß ich glaube ich doch ein paar Worte über ihn verlieren, da er (zumindest hier zulande) auf unerhörte Unkenntnis stößt.
Er hat natürlich mit zig Größen zusammen gespielt, ist Dozent an zig renomierten Musikhochschulen und Konservatorien (Berklee, Paris, Mannheim u.s.w.) und besonders seine Schulereihe „Inside Improvisation“ sind sehr beliebt bei Saxophonstudenten. Der letzte Band „Hexatonics“ hat sogar für ein gewisses Aufsehen an den Musikhochschulen gesorgt, da es ziemlich „kranker shit“ ist. Im Prinzip geht es darum, dass Akkordpärchen gegenüber gestellt werden. Ein sehr eleganter (wenn auch sehr komplexer) Weg, für neue Motive, interessante Farben und Outside/Inside spielen.
(Genaueres und mehr auf Wikipedia)

Und das konnte man am letzten Donnerstag (6.5.2010) im Jazzkeller der HfK Bremen angewand hören. Zumindest glaube ich das. Denn Bergonzi hat eine fantastische Teschnik und die hohe Geschwindigkeit machte es nicht leichter das gespielte nachzuvollziehen. Aber um so beeindruckender war es.
Durch die Triobestzung wirkte es noch konzentrierter. Bassist und Schlagzeuger waren ebenfalls imposant. Schändlicherweise weiß deren Namen leider nicht mehr, werden hier aber noch nachgereicht.

Schade, dass der Jazzkeller nicht so gut besucht war. Hauptsächlich die Jazzabteilung der Hochschule, die das Konzert sichtlich genoß. Ok, Bergonzi mag zwar kein Mainstream Jazz sein und diejenigen, die Charlie Parker schon für schwere Kost halten, dürften hier eher Panik kriegen, aber es doch Schade, dass guter Jazz so wenig Resonanz hat. Aber vielleicht lag es auch daran, dass nur ein gewisser „Bergnozi“ angekündigt worden war.

Allerdings führte das auch zu einer sehr intimen angenehmen Atmosphere und so war es für mich ein leichtes, mich nach dem Konzert an Bergonzi anzuschleichen und ihn zu interviewen. Er stellte sich als sehr symphatischer Mensch heraus und hatte wegen dem Konzert auch sehr gute Laune, weshalb er sehr bereitwillig zustimmte.
Im Prinzip habe ich fast die gleichen Fragen wie beim Doldinger-Interview gestellt. Interessant wie unterschiedlich die Antworten ausfallen. Aber Jerry war auch sehr locker drauf, was vielleicht auch an der späten Stunde gelegen haben könnte. „In vino veritas“ bzw. „In Haake-Beck veritas“.

Für die Qualität (und das Format) muß ich mich entschuldigen, da ich an dem Abend mein Zoom nicht dabei hatte, habe ich es notgedrungen einfach mit meinem Handy aufgenommen.

Jerry Bergonzi Interview Part I

Und hier viel mir die letzte Frage doch noch ein
Jerry Bergonzi Interview Part II

Jerry Bergonzi ist zur Zeit auf Europa Tournee, also schaut mal, ob er nicht auch in eurer Nähe spielt. Wie gesagt, der Konzertbesuch  lohnt sich. Hier geht es zu seiner Homepage:
http://www.jerrybergonzi.com/

Messiaen meets Jazz – Solo-Konzert von Roger Hanschel

Heute eröffne ich die neue Kategorie „Kritiken“, in der ich Konzerte, CDs, Filme und sonstiges bespreche, das ich für besprechenswert halte.

Heute hatte ich das Vergnügen Roger Hanschels Konzert in der HfK Bremen zu hören mit seinem Programm „Solo“. In diesem steht er allein auf der Bühne und demonstriert mit einer Eigenkompositionen, was für eine klangliche Vielfalt mit dem Saxophon möglich ist. Selbst ich war absolut überwältigt und habe an diesem Abend zig neue Klänge erlebt. Es begann mit einem (von mir noch nie zuvor gehörten) echten pppp (mit absolut klarem Ton). Man konnte das Atmen, der Zuschauer 4 Reihen hinter einem hören. Das ging, da leider das Konzert mit ca. 12 Hörern nicht wirklich gut besucht war (soviel zur Kulturlandschaft Deutschland). Dafür war der Saxophonklang noch präsenter. Zwar hat der Konzertsaal der HfK eine schöne Akustik, dennoch dürfte das Programm in einer Kirche noch imposanter klingen.

Aber auch so, war man überwältigt von dem gehörten, das man als eine faszinierende Fusion von Messiaenischen Klängen und jazzigen Linien und Figuren beschreiben könnte. Die gesamte Bandbreite, an technischen Mitteln, wie Zirkulationsatmung, Spaltkänge und Sachen für die ich nicht mal einen Namen weiß, und Klangfarben von zartestem klassischem Ton bis zu schneidende Flagolettes.  Viele der besonders abgehobenen Effekte,  hätten genauso auch in ein Funksolo gepasst.
Es war im höchstem Maße virtuos wie melodiös. Für mich faszinierend, wie sich in dieser modernen Musik oft märchenhaft klingende Momente einschlichen.
Einziges Hilfmittel war eine Loopstation die gelegentlich für Effekte genutzt worden, die mich sehr an die Organum Klänge gotischer Kathedralen  erinnerte bzw. an traditionelle indische Musik.

Dementsprechend fordert der Abend aber auch Konzentration vom Zuhörer. Das Programm besteht aus nur einem Stück, dass ca.  50 min lang ist und die Masse an Klangeindrücken ist erschlagend. Also nichts für ungeübte Ohren. Aber gerade deshalb, war es eines der für mich in letzter Zeit lohnensten Konzerte und würde es jedem Saxophonisten und sonstigem Musikinteressiertem, der seinen Horizont erweitern mag, gerne ans Herz legen. Wer allerdings schon von Charlie Parker oder Bach überfordert ist, sollte den Konzertsaal meiden.

Mehr zur Person Roger Hanschel und seine Tourdaten schenke ich mir und verweise der Einfachheit halber auf seine Homepage.