Longtones – Der Weg zum Erfolg

Immer wieder stelle ich fest, dass bei vielen Saxophonisten die Longtoneübungen unterschätzt, mißverstanden oder sogar falsch gemacht werden. Meiner Ansicht nach sind sie die beste Übung für die Entwicklung eines guten Sounds und für die Intonation.

Eigentlich ist dies nur eine Zusammentragung und Zusammenfassung von dem, was ich aus Liebman, Rascher,  von meinem Lehrer und aus den Gesprächen mit ein paar sehr fähigen Kollegen mitgenommen habe. Ich empfehle sehr, dass sich diejenigen, die sich intensiver mit diesem Thema auseinander setzen wollen, sich „Der persönliche Saxophonsound“ von David Liebmann und „Top Tones“ von Sigurd Rascher selber zu Gemüte zu führen sollten.

Ich habe das Gefühl, dass viele die Longtoneübungen als unliebsames „Muß“ sehen, als eine Art Krafttraining. Das ist wohl die falscheste Einstellung überhaupt. Saxophon spielen ist kein Bodybuilding.
Es gilt viel mehr ein Gefühl und Vorstellung für den Ton zu entwickeln. Man sollte Spaß an den Übungen entwickeln. Wenn man sich über den herrlichen Ton freut, den man produziert, dann macht man sie richtig.

Für einen guten Sound spielen sehr viele Faktoren noch vor dem Mundstück, also im Körper (vorallem Rachenraum), eine Entscheidende Rolle. Einige Saxophonisten vermitteln daher ihren Schülern, haarklein wie sie ihren Hals öffnen müssen, wie die ganz genaue Zungenstellung ist, reden von exakten Winkeln bei Mundstück und Kiefer.

Ich bin kein Fan davon. Dieser Ansatz kann den Spieler verwirren, da er alles gleichzeitig bedenken muß und er den Fokus für anderes verliert.
Man sollte den Körper zunächst einmal versuchen lassen. selber unterbewusst die für einen beste Stellung zu finden. Nur wenn man daran keinen Gedanken während des Spiels daran verschwenden muß, wird man auch auf der Bühne beim Solo so klingen können, wie man es möchte.
Dennoch sollte man sich der Faktoren bewußt sein, weil hier auch oft Probleme liegen können.
Genug der einleitenden Worte, nun geht’s zur Sache.

Das wichtigste ist die Tonvorstellung.
Das spielen der Longtones sollte immer entspannt bleiben. Wird es anstrengend macht man entweder etwas falsch oder das Setup ist ungünstig.

Die klassische Longtonübung
Man bläst einen Ton im pp an steigert ihn auf ff und senkt dann wieder auf pp zurück beendet. Der Ton sollte ungefähr 2 (langsames Tempo) ganzen Noten entsprechen und das komplette Lungenvolumen ausnutzen (am Ende des Tones solltet ihr keine Luft mehr über haben). Der Ton sollte kontrolliert angestoßen werden, die Intonation darf sich keinsten Falls verändern und natürlich sollte der Ton auch kontrolliert wieder beendet werden. Also kein Vibrato oder sonstiges Zittern. Diese Übung sollte über das ganze Spektrum ausgeführt werden.

Nun kann und sollte man noch viel mehr mit diesen Übungen machen. Allerdings wenn alles auf einmal machen möchte, verzettelt man sich, weshalb ich meinen Schülern immer rate sich bei jedem Ton auf einen anderen der folgenden Aspekte zu konzentrieren.

  1. Stütze:
    die Luftführung spielt eine entscheidende Rolle. Wie ihr wißt, sollte die Luft
    aus dem Bauchraum kommen. Der Druck sollte konstant von der Bauchdecke kommen. (Ich glaube von Karuso stammt folgender Satz „Der Ton kommt aus dem Arschloch“) Sollte das nicht optimal sein, rate ich zu gesonderten Atemübungen. Immer schön tief in den Bauch atmen.
  2. Rachen:
    der Rachen ist quasi die Engstelle auf dem Weg zum Sax. Ihr solltet ihn möglichst weit öffnen, damit der Ton auch schön voll wird. Stellt euch vor, ihr würdet das englische Wort „saw“ sagen. Ungefähr so sollte eure Rachenstellung sein. Das hat etwas mit der Luftführung und Resonanzräumen zu tun.
  3. Zunge:
    selbst du Zungenstellung spielt eine Rolle. Experimentiert, was euch liegt. Mir hat es geholfen die Zunge erst mal allgemein tiefer zu nehmen. Durch die Zungestellung kontrolliert ihr die Luftführung im Mundraum. Bei einer flachen Zunge (wie bei dem Vokal „oohh“) geht mehr Luft durch. Das kann z.B. bei der Ansprache der tiefen Töne helfen. Bei hohen Tönen (besonders das Altissimo, aber auch bei den Obertonübungen) kann man die Luft kanalisieren und somit schneller und zielgerichteter fließen lassen. Dazu sollte sie einen leichten Buckel nach hinten formen, ähnlich wie beim Formen des Vokals „iiiihhh“.
  4. Lippen:
    Lippenhaltung und Lippenspannung – also der Ansatz – sind essentiell. Habt ihr eine entspannte Ringspannung? Mir hat es sehr geholfen, mir vorzustellen, als würde ich „öööö“ (Achtung, nicht die Zungenstellung von “öö” , Zunge bleibt flach) sagen wollen. Genau so sollte die Lippe geformt sein. Es darf nie „Gebissen“ werden, also Druck mit dem Kiefer ausgeübt werden. Auch der sollte möglichst locker bleiben. Nur ein entspannter Ansatz ermöglicht euch stundenlanges spielen und eine vernünftige Intonation.
    Über den Ansatz wird viel aber auch zurecht gestritten. Hier gibt es keine eine absolut richtige Weise. Und je nachdem was man möchte kann für einen der klassische oder moderne Ansatz, oder etwas dazwischen, besser sein. Für mehr Infos könnt ihr den Artikel über den klassischen vs. modernen Ansatz durchlesen und den für so spielen um so zu klingen. Gerade beim Ansatz ist es sinnvoll sich von einem Lehrer helfen zu lassen.
  5. Volumen:
    Stellt euch vor als würdet ihr mit eurem Ton den ganzen Raum ausfüllen wollen. Laßt ihn so groß und schön wie möglich klingen. Damit ist nicht unbedingt laut gemeint. Projektion: Stellt euch vor, als würdet ihr mit dem Ton in die hinterste Ecke eures Raums zielen, oder noch besser, in nächste Zimmer. Laßt den Ton möglichst weit tragen. Bitte auch Projektion nicht mit Lautstärke verwechseln.
  6. Resonanzräume:
    Unter Sängern lange kein Geheimnis mehr. Jeder Hohlraum im Körper kann zur Klangverstärkung genutzt werden. Fragt mich bitte nicht, wie genau das funktioniert, aber es funktioniert. Das hat damit zu tun, dass die Luftsäule in beide Richtungen schwingt, also auch in den Körper.
    Bei den tieferen Tönen müßt ihr die Vibrationen im Bauch spüren. Das ist Resonanz. Nutzt sie, und versucht sie für immer mehr Töne
    zu nutzen. Weitere Resonanzräume habe ich im Brustbereich entdeckt, ja sogar im Kopf.
  7. Luftmenge
    Für einen großen Sound müßt ihr auch viel Luft verbrauchen. Damit meine ich nicht unbedingt, dass ihr einen riesen Druck aufbaut oder die Luft schnell fließen lasst. Versucht selbst im pp möglichst viel Luft zu verbrauchen.

Wie schon erwähnt, es hat sehr viel mit Vorstellung zu tun. Manchmal hilft es mir, als würde ich für eine ganz besondere Person spielen, das hilft auch viel, den Sound zu verbessern. Wirklich.

Es gibt noch einige weitere Longtonübungen die sehr gut für Intonation und ein ausgeglichenes Spektrum sind.

Power-Longtones
Das ist ein etwas anderes Konzept als die klassischen Longtones, die aber sehr gut funktioniert, seinen eigenen Sound zu entwickeln.

Quinten und Quarten:

Hier geht es vor allem um die Intonation. Quinten und Quarten sind besonders reine Intervalle, also kleine Schwingszahlverhätnisse.

Ihr fangt mit einem tiefen Ton an, spielt darauf die Quinte, dann die Quarte, dann wieder die Quinte usw.. So hoch wie ihr könnt, und dann die Töne wieder abwärts. Wenn ihr Toptones schon könnt, bezieht sie mit ein.

Beispiel: c’ g’ c” g” c”’ g”’ c”” g”’ c”’ g” c” g’ c’

Die Töne sollten min. je eine halbe Note lang sein.
Versucht bevor ihr den nächsten Ton spielt ihn erstmal vorzuhören, ihn euch vorher vorzustellen wie er klingen soll.

Zur Unterstützung und Kontrolle kann man ein Klavier oder Stimmgerät (nicht die ganze Zeit drauf starren, ihr sollt selber hören, ob ihr richtig seid und dann nur mit dem Gerät nachkontrollieren) hinzuziehen.
Tonematching (oder auch die berüchtigten Obertonübungen)

Hier geht es nicht darum, wie oft gedacht, möglichst hoch zu kommen. Zubeißen und Töne
hochquetschen kann jeder klingt aber nur ekelhaft. Es geht hier darum Kontrolle und Gefühl für richtige Luftführung und Rachen-, Zungen- und Lippenstellung zu gewinnen und das alles unverkrampft, wie man sie später für richtige Toptones braucht.
Desweiteren entwickelt man so ein gut klingendes und stimmiges zweites Register.

Ist euch schon aufgefallen, dass die tiefen Töne oft viel besser und voller Klingen? Das ist auch eigentlich logisch, da dort das ganze Sax arbeitet. Das nutzen wir aus, und versuchen die hohen Tönen der Klangqualität der Töne mit der langen Luftsäule anzugleichen. Und das geht folgendermaßen:

Ihr greift einen tiefen Ton, überblast ihn (nicht Beißen oder Quetschen), dann spielt ihr im Wechsel den gleichen Ton mit dem normalen Griff. Ihr versucht den normalen Griff so klingen zu lassen wie der Überblasene. Sowohl Klangvolumen als auch Tonhöhe.

Beispiel: Ihr greif ein tiefes B und lasst ein b” klingen. Nun greift ihr das normale b” und versucht es genauso schön und voll klingen zu lassen.

Diese Übung kann etwas Zeit brauchen (Jahre) bis man sie beherrscht. Pressing (Beißen) sollte dabei auf jeden Fall vermieden werden. Es geht hier um Luftführung, Rachen und Zungenstellung sowie dem Ansatz. Ich hatte Probleme mit der 2. Oktave weil ich den Rachen zu weit geöffnet hatte, und zwar so viel Luft durch bekam, aber nicht zielgerichtet genug (diffuser Luftstrom). Zudem hat mir das experimentieren mit der Zungenstellung („iihh“) auch sehr geholfen.

 

RegisterausgleichenDies ist eine schöne Übung aus dem Rascher. Viele Spieler haben das Problem, dass sie unten zwar fett aber eher matt klingen, oben zwar einen schönen Strahl haben aber doch recht dünn sind.

Daher folgende Übung zum ausgleichen.

Ich fangt bei einem Ton in der Mitte an und bewegt euch nur chromatisch (auf oder ab) mit folgendem Rhythmus.
Halbe, Halbe, Ganze.

Dann wieder einen chromatischen Schritt zurück und so geht ihr immer weiter. Auf und ab und danach zurück. Bewegt euch so über das ganze Spektrum des Saxes. Der Sinn ist es, darauf zu achten, dass die Klangfarbe möglichst gleich bleibt. Gerade bei den Registerwechsel kann es zu Sprüngen führen. So bekommt ihre euren hohen Töne voller und die Tiefen strahlender.

Beispiel;

fis, g, gis ,

g, gis, a,

gis, a, ais, usw.

So das waren die wohl essentiellsten Übungen für den Sound. Ihr werdet davon nicht in einem Monat wie Coltrane oder Cannonball klingen. Das kann Ewigkeiten dauern.

Das Saxophon ist nicht wirklich so ein leichtes Instrument, wie oft gemeint wird. Viele unterschätzten die jahrelange Arbeit an der Soundgestaltung. Das ist halt der große Unterschied zu Instrumenten wie dem Klavier, bei dem man nur eine Taste anschlagen muß, und der Sound da ist.

 

 

Zuletzt bleibt die Frage, wie viel und wie lange man dieses Üben sollte. Ich kenne Saxophonstudenten, die sich mit diesen Übungen täglich min. eine halbe Stunde auseinander setzen. Halte ich aber für einen normalen Saxophonisten etwas übertrieben. Es ist besser jeden Tag min. 5 min vor der Übsession sich damit zu beschäftigen als einmal in der Woche dann für eine Stunde am Stück. Es geht hier nicht um eine Art Kraftraining sondern für das Entwickeln von Vorstellung und Gefühl. Ich starte gerne damit, meinen Ton erstmal richtig schön und groß klingen zu lassen, bevor ich mich an die Improvisation setze.

Natürlich gibt es noch weitere Übemethoden, Tipps und Tricks zur Soundgestaltung. Aber mit damit befasse ich mich in anderen Artikeln. Schaut einfach mal bei den Lektionen rein.

Viel Spaß beim Üben!